Lagebericht Ecuador

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Lassie
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Re: Lagebericht Ecuador

#331 Beitrag von Lassie » 2024-05-26 20:31:44

Wir sind es, wir Konsumenten hüben und drüben, die den "Ausbeutern" in Form vom Kauf von deren Produkten überhaupt erst den Grund dazu geben, die Kontinente leerzuräumen und sie im Gegenzug mit Billigprodukten zu überschwemmen.
Servus,
das möchte ich mal unterstreichen, da ich selber mit meiner kleinen Firma Hersteller und Händler bin und eben statt in Fernost hier in Deutschland fertige.
Solange die Kundschaft nur den billigsten Preis will, aber nicht versteht, dass neben Produktions- auch Sozial-, Transport- und Steuerkosten auf ein Produkt kommen, wird es nichts mit sozial gerechter, ökologisch nachhaltiger und möglichst verantwortlicher Fertigung hier in Deutschland.
Die Fernost-Importeure, welche aus einem Lager in Polen oä via Amazon und Konsorten den Markt mit Billigprodukten überschwemmen zahlen halt leider hier in D weder Löhne noch Lohnnebenkosten oder wesentliche Steuern, von Beiträgen fürs Allgemeine Wohl wie Spenden etc. gar nicht zu reden.
Da helfen auch keine grünen Siegelchen, CO2-Kompensationen oder andere scheinheilige Nachhaltigkeitsversprechen, die eh nicht überprüfbar sind.

Nachhaltigkeit beginnt nicht bei den Forderungen bei den Herstellern & Händlern, sondern beim Kaufverhalten der Konsumenten. Wir können da nur Angebote machen und hoffen, dass wir genügend Kunden zum Überleben finden.

Viele Grüße
Jürgen, der einst 20 Jahre in Asien auf der Globalisierungswelle surfte, diese mittlerweile aber recht kritisch sieht.....
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Enzo
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Re: Lagebericht Ecuador

#332 Beitrag von Enzo » 2024-05-26 23:48:01

Jürgen, das hast du schön geschrieben
Lassie hat geschrieben:
2024-05-26 20:31:44
Jürgen, der einst 20 Jahre in Asien auf der Globalisierungswelle surfte, diese mittlerweile aber recht kritisch sieht...
ich bin mittlerweile ein Freund von Zöllen bis hin zu Einfuhrverboten, wenn diese Wareneinfuhr die heimische Produktion zerstört oder überhaupt den Aufbau einer kleinen Manufaktur verhindert. Dieses muss dann mit entsprechenden Handelsabkommen geregelt sein. Keine Freihandelsabkommen mit unbeschränkten Warenverkehr sondern Handelsabkommen.
Mein konsumreduzierteres und nachhaltigeres Leben in Ecuador ist nicht durch innere Überzeugung entstanden sondern den hiesigen Umständen geschuldet. Aber nach einigen Jahren vermisse ich nichts und stelle erfreut fest, dem Geldbeutel tut's auch gut :D

Gruß Jens

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Re: Lagebericht Ecuador

#333 Beitrag von Kopilotin » 2024-05-27 8:07:37

Hallo Jens,
vielen Dank für deine tiefen Einblicke ins ecuadorianische/SA-Leben!
Ich freue mich jedes Mal über deine Berichte und lese sie mit Spannung. Ich kann nicht ausschließen, dass wir mal „auf einen Kaffee“ bei dir vorbeischauen, wenn wir unsere Reise auf den amerikanischen Kontinent nächstes Jahr beginnen werden… :D :cool:
Saludos,
Michaela
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Lassie
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Re: Lagebericht Ecuador

#334 Beitrag von Lassie » 2024-05-27 8:36:40

Mein konsumreduzierteres und nachhaltigeres Leben in Ecuador ist nicht durch innere Überzeugung entstanden sondern den hiesigen Umständen geschuldet. Aber nach einigen Jahren vermisse ich nichts und stelle erfreut fest, dem Geldbeutel tut's auch gut :D
Servus Jens,

das war auch unsere Erfahrung in Ländern wie Indonesien, Bangladesh, Vietnam oder Cambodia - es gibt nicht alles, es gibt es nicht immer, manches ist deutlich teurer wie gewohnt, aber mit etwas Anpassung an die lokale Marktsituation kommt man gut zurecht und vermisst per se nichts.

Vielen Dank für deine Berichte aus Ecuador!
LG Jürgen
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Enzo
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Re: Lagebericht Ecuador

#335 Beitrag von Enzo » 2024-09-29 17:02:23

Moin
mal wieder ein Lebenszeichen aus den nördlichen Anden Ecuadors. Das Land erlebt die schwerste Dürre seit 61 Jahren. Damals vertrocknete die Ernte und Milchkühe/Rindviecher wurden notgeschlachtet. In heutigen Zeiten haben wir zum Glück nur eine Stromkrise. Die wichtigsten Wasserkraftwerke des Landes liegen trocken und sind fast komplett vom Netz gegangen. Täglich wird der Strom 10-12 Std abgestellt. Die Energiewende 2.0 läuft auf Hochtouren, reicht aber nicht. Die alten Öl-Gaskraftwerke werden ständig repariert und modernisiert. Hunday und MAN haben Dieselgenerstoren geliefert. Ein türkisches Kraftwerksschiff liegt bei Guayaquil vor Anker, zwei weitere sollen folgen. Private Unternehmen mit grossen Generstoren sind aufgefordert ins öffentliche einzuspeisen. Online Registrierung und schon wird ein Zähler gesetzt, jede KWh wird mit 25 Cent vergütet. Öl, Gas, Benzin und Diesel....alles wird verfeuert, Hauptsache am Ende kommt Strom raus.
Der Bau und Betrieb von Wind und Solarparks, meist spanische Unternehmen, verzögert sich immer weiter. Nach zwei-drei Jahren sind die rechtlichen Hürden für das Einspeisen von privaten Strom ins staatliche Netz geklärt, nun verlangen die privaten Investoren Garantien, dass der Strom auch abgenommen und bezahlt wird. Auf einen Vertrag mit der Regierung verlässt sich niemand, würde ich nicht tun :D Jetzt kommt die Weltbank ins Spiel, die soll Bürgschaften übernehmen. Das wird sich der Ausbau von Wind und Solar noch kräftig verzögern. Es gibt ja keine Strombörse auf dem Kontinent und wegen fehlender Übertragungsleitungen und rechtlicher Rahmenbedingungen kann ein privater Investor in Ecuador auch nicht mal eben sein Strom in Kolumbien oder Peru verkaufen. Alles nicht so einfach mit dem Ausbau der regenerativen Energie. Wenn es genügend regnet können die Wasserkraftwerke fast 90% des benötigten Stroms liefern.
Aber immer bewundernswert ist die Gelassenheit der Bevölkerung. Da kann ich viel von lernen. Die Menschen sind einfach krisenerprobt und nehmen es wie es kommt. " Kann man nichts machen, muss halt regnen". Damit ist das Thema erledigt.
Vollmond über dem Vulkan Imbabura
Vollmond über dem Vulkan Imbabura
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So sieht der Himmel seit drei Monaten aus. Die Betreiber von Solaranlagen können den ganzen Tag freudig auf ihren Ertragsmonitor schauen, die Betreiber von Wasserkraftwerken können die Tür zumachen und nach Hause gehen.
Die Sicherheitskrise, größtenteils auf einige Provinzen an der Küste beschränkt, hält weiterhin an. Täglich gibt's dutzende von Verhaftungen, aber Justiz und Gefängnisse sind überlastet. Straftäter werden dann nach kurzer Untersuchungshaft wieder nach Hause geschickt. Das frustet natürlich auch die Polizei, die einen guten Job macht. Die Fälle von Selbstjustiz, gerade in indigenen Landkreisen, nehmen zu. Kürzlich wurde ein Straftäter, hatte einen einheimischen LKW Fahrer überfallen und ermordet, von der Bevölkerung gestellt und im zentralen Park nach kurzer "Gerichtsverhandlung" kurzerhand aufgehängt. Die indigene Bevölkerung hat immer noch ihr eigenes Verständnis von Justiz. Gibt natürlich ein juristisches Nachspiel. Die Polizei muss ja nur die Videos in den sozialen Medien auswerten. Bei uns in den nördlichen Anden ist die Sicherheitslage weiterhin gut. Da könnte ich auch in Schleswig-Holstein leben.
Dann hatten zwei deutsche Touristen das Pech, mitten am Äquator von einer Lawine begraben zu werden. Keine Schlamm, sondern Schneelawine. Sind , samt dem Führer, nicht gefunden worden. Am gar nicht weit entfernten Vulkan Cayambe gibt's eine Piste rauf zu einem Refugio auf 4800m, von dort aus marschiert man dann nachts los um bei Sonnenaufgang auf dem Gipfel zu sein. Dann zügig runter, bevor die Sonne den gefrorenen Schnee antaut. Manchmal gehen solche Besteigungen halt schief und unter ungünstigen Wetterbedingungen können die Bergretter der Feuerwehren dann auch nicht helfen.
Die Subventionen für Normalbenzin wurden wegen der schlechten Finanzlage des Staates komplett gestrichen und ich muss den üblichen internationalen Preis bezahlen. Liegt bei ungefähr 0,62 Euro/Liter.
Die Migration, auch hier immer wieder Thema. Peru hat über Nacht, vor den Wahlen in Venezuela, die Einteisen für Venezulaner verschärft. Nur noch mit gültigen Pass und Visum. Hat natürlich niemand und wer von Chile aus in den Norden oder von Ecuador aus in den Süden möchte, hängt fest. Ecuador hat das Abkommen mit China über das visafreie Reisen einseitig gekündigt. Die Mehrzahl der über 50.000 eingereisten Chinesen dieses Jahr, hat keine ordnungsgemäße Ausreise. Die gehen illegal nach Kolumbien und über den Darien Dschungel weiter nach Panama. Und die USA haben ein Abkommen mit Panama geschlossen, mit dem Ziel, Panama in eine Sackgasse zu verwandeln. Migranten festsetzen und geordnete Rückführung. Einige, von den USA bezahlte, Rückführungsflüge gingen schon nach Kolumbien, Ecuador und Indien. Nur nach Venezuela geht nicht.
Aber es gibt auch erfreulicheres. Mein Hausbau ist abgeschlossen, die letzte Inspektionen vom Bauamt ist glatt gelaufen. Nun habe ich es offiziell. " Das Haus entspricht den genehmigten Plänen und die Ausführung den statischen Anforderungen........" damit bekomme ich auch die hinterlegte Garantiesumme zurück und habe den Papierkram zum Verkauf vollständig.
Danach gings in den verdienten Urlaub. Ein paar Tage an die Küste, mal wieder etwas sauerstoffreichere Luft und das tropische Klima genießen.
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Schulbus
Schulbus
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Leere Strände und noch intakte Mangrovenwälder dicht an der kolumbianischen Grenze.

Das Beste kommt gerade. Es regnet, die Regenzeit kommt. Vorhin noch blauer Himmel, dann ein leichter Schleier, die Luftfeuchtigkeit stieg von 30 auf 85%, und nun sieht der Himmel ziemlich finster aus. Hoffentlich regnet es auch im östlichen Amazonas-Tiefland, hier stehen keine Wasserkraftwerke. Dafür staubt es nicht mehr und die Waldbrandgefahr ist geringer.
nächtlicher Regen kommt als Schnee runter
nächtlicher Regen kommt als Schnee runter
Unser Landkreis geht von 5000m runter in subtropische 1600m

Woran sieht man, dass die Schul-Kindergartenferien Anfang September zu Ende sind? Zur Rush hour stehen auf den wichtigsten Kreuzung im Einzugsgebiet von Schule und Kindergärten Polizisten. Sie sorgen für einen sicheren Schulweg. Verkehrserziehung incl. Anschiss gibt's auch. Sowohl für die Kids als auch die Autofahrer :D Da geht halt auch die grosse 6 jährige Schülerin mit ihren 2 kleineren Brüdern an der Hand alleine nach Hause.
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Ab 21 Juni gab's, wie jedes Jahr, die wichtigsten Feierlichkeiten. Inti Raimi, das alte Inka Sonnenfest. 2 Wochen geht dann so gut wie nichts :D
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Hat hier in Cotacachi immer etwas kriegerisches. Die Besetzung der Plaza mit der katholischen Kirche erinnert daran, dass diese auf indigenem heiligen Land errichtet wurde. Der letzte Tag der Feierlichkeiten, immer ein Montag, ist den Frauen vorbehalten. Dann ziehen diese aus den umliegenden Bergen mit viel Musik, Tanz und Alkohol zur Plaza und es wird lange und fröhlich getanzt. Zum Schluss dürfen dann auch die Männer mitmachen.

Grüße aus Cotacachi

Jens

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Re: Lagebericht Ecuador

#336 Beitrag von grijo » 2024-09-29 17:25:50

Vielen Dank für den Bericht

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Re: Lagebericht Ecuador

#337 Beitrag von fridolin_22 » 2024-09-29 17:48:29

Bei dem Symbol auf dem Hut auf dem vorletzten Foto musste ich kurz zweimal hinsehen... :huh:

Gruß
Marc

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Re: Lagebericht Ecuador

#338 Beitrag von buckdanny » 2024-09-29 18:33:07

fridolin_22 hat geschrieben:
2024-09-29 17:48:29
Bei dem Symbol auf dem Hut auf dem vorletzten Foto musste ich kurz zweimal hinsehen... :huh:

Gruß
Marc
Swastika ist weltweit verbreitet, Adolf sein Modell ist um 45° gedreht.
das Leben ist eher breit wie lang, und wir steh´n alle mittenmang!!

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Re: Lagebericht Ecuador

#339 Beitrag von buckdanny » 2024-09-29 18:35:07

fridolin_22 hat geschrieben:
2024-09-29 17:48:29
Bei dem Symbol auf dem Hut auf dem vorletzten Foto musste ich kurz zweimal hinsehen... :huh:

Gruß
Marc
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Re: Lagebericht Ecuador

#340 Beitrag von fridolin_22 » 2024-09-29 19:03:07

buckdanny hat geschrieben:
2024-09-29 18:35:07
fridolin_22 hat geschrieben:
2024-09-29 17:48:29
Bei dem Symbol auf dem Hut auf dem vorletzten Foto musste ich kurz zweimal hinsehen... :huh:

Gruß
Marc
Swastika ist weltweit verbreitet, Adolf sein Modell ist um 45° gedreht.
Drum habe ich ja 2x hinsehen müssen. Neben den 45° gehört das auch gespiegelt...

Gruß
Marc

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Re: Lagebericht Ecuador

#341 Beitrag von Enzo » 2024-09-29 20:38:52

fridolin_22 hat geschrieben:
2024-09-29 19:03:07
buckdanny hat geschrieben:
2024-09-29 18:35:07
fridolin_22 hat geschrieben:
2024-09-29 17:48:29
Bei dem Symbol auf dem Hut auf dem vorletzten Foto musste ich kurz zweimal hinsehen... :huh:

Gruß
Marc
Swastika ist weltweit verbreitet, Adolf sein Modell ist um 45° gedreht.
Drum habe ich ja 2x hinsehen müssen. Neben den 45° gehört das auch gespiegelt...

Gruß
Marc
Ich habe das erste Mal vor Jahren auch irritiert geguckt, zumal das Kreuz in beiden Varianten verwendet wird. Die Bedeutung konnte mir bisher kein Hutträger erklären. Evtl sollte ich jemanden fragen, der nicht gerade feiert und der Sprache kaum noch mächtig ist :joke:

Jens

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Re: Lagebericht Ecuador

#342 Beitrag von Enzo » 2024-10-07 16:47:51

Moin
endlich.....die Regenzeit ist gekommen. Bei uns hat es die letzten 7 Nächte kräftig geregnet und auch im östlichen Tiefland ist die Dürre vorbei. Die Wasserkraftwerke können wieder eingeschränkt arbeiten und die nächsten Tage wird der Strom nur 2-4 Std täglich abgeschaltet. Es geht voran :D
Da hat dieses Land zu 100% auf Wasserkraft gesetzt und muss nun feststellen, ohne eine zweite, wetterunabhängige, immer betriebsbereite Backup Infrastruktur geht's nicht. Das macht dann auch den Kostenvorteil der erneuerbaren Energien zunichte. Und nur darum ging es bei dem Bau der Wasserkraftwerke. Hatte so gar nichts mit Co2 Emissionen und Klimawandel zu tun. Bin gespannt wohin die Stromreise geht. Noch ein wenig Wind, Sonne und Wasserkraft. Dazu Geothermie und höchste Priorität hat die Erneuerung und Modernisierung der alten Gaskraftwerke. In Verbindung damit soll ein grosses Gasfeld im Golf von Guayaquil erschlossen werden. Damit soll dann eine, über das Jahr gesicherte, Stromversorgung gewährleistet sein.
Für mich recht spannend, diese Stromentwicklung. Als wir nach Ecuador kamen stand das letzte von 14 Wasserkraftwerken vor der Fertigstellung und das Land schwelgte im Stromüberschuss. Elektrische Durchlauferhitzer und Induktionsherde wurden subventioniert. Nun ist man froh, jederzeit auf Gas zu kochen können :D

Gruß Jens

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Re: Lagebericht Ecuador

#343 Beitrag von Enzo » 2024-10-25 16:25:40

Moin, zu früh gefreut. :frust:
Nichts mit Regenzeit. Kaum angefangen und schon vorbei. Es herrscht wieder sommerlich trockenes Wetter Bei uns in der Sierra war der Regen erst einmal ausreichend, im östlichen Tiefland nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Dort spricht man nun von über drei Monaten Dürre. Peru, Ecuador, Kolumbien vermelden aufs Neue historische Tiefstände der Flüsse. Auch dies sind wichtige Zuflüsse des Amazonas. Besserung nicht in Sicht.
Klar, El Niño war heftig dieses Jahr, aber es mehren sich die Stimmen, ob durch schon zu grosse Regenwaldzerstörung das natürliche System aus den Fugen geraten ist. Passend dazu, dieses Jahr auch historische Höchststände der durch Brände zerstörten Regenwaldflächen. Meist durch Brandrodung entstanden. Betroffen sind vor allem Brasilien und Bolivien.
Die Wasserkraftwerke dümpeln herum und gehen zeitweise ganz vom Netz. Also wieder 8-10 Std täglich Stromabschaltungen. So schnell wird es sich nicht ändern. Wir und der halbe Kontinent hoffen auf die grosse Regenzeit ab Dezember im Tiefland.....abwarten.
Aber es geht immer noch schlimmer, siehe Cuba :positiv:

Bis Ende des 1 Quartals 2025 sollen die jetzigen Einkaufsmassnahmen greifen und die Stromerzeugung mit Öl und Diesel kräftig gesteigert sein.
Unser Haus ist noch nicht verkauft, aber die Nachfrage ist, trotz der hiesigen Probleme, vorhanden. Einige Interessenten sind schon aus den USA angereist. Müssen nur ihr Haus den Staaten vorher verkaufen. Aber nun ist die Wahl, vorher geht nichts. Kommen mir alle ein wenig gelähmt vor.
Gerade wurde beschlossen, bei Kauf eines Stromerzeugers oder Solarpanelen entfällt die Mehrwertsteuer. Trotzdem kostet das gesamte Solarzeugs mehr als das doppelte als in Spanien. Da hatte ich zuletzt die Preise studiert. Extrem sind die Preise bei Speichern/ Batterien. Ich wollte mal wieder vernünftige Aufbaubaubatterien installieren. 2× 200Ah Gel.
Bei Kosten von 1050,00 US Dollar nahm ich Abstand von dem Vorhaben. 2×100Ah Lithium kostet dann noch mal fast das Doppelte. Aber zur Zeit ist das Land eh leergekauft. Solarpanele, Speicher oder Inverter......kaum noch zu bekommen. Nicht weil es sich in irgendeiner Form finanziell rechnet, nur damit überhaupt Strom vorhanden ist. Mein alter Mastervolt Wechselrichter, vom Baujahr her absolut H tauglich :D, musste noch nie so viel arbeiten. Läuft nun 12-14 Std täglich ununterbrochen.
Kürzlich wurden die Zulassungszahlen für Neufahrzeuge veröffentlicht. In einem insgesamt schwächelnden Automarkt legen die Elektrofahrzeuge, auch Hybride zählen dazu, deutlich zu. Mittlerweile haben sie 14% Marktanteil. Reine E Fahrzeuge liegen bei 2%. BYD konnte seine Verkaufszahlen, im Vergleich zum letzten Jahr, verdoppeln.
Befreit von Einfuhr und Luxussteuer, sowie Mehrwertsteuerbefreit kommt da eine gewaltige staatliche Förderung zusammen. Das Einstiegsmodell, der Dolphin mit 400km Reichweite, würde sonst statt 20.000$ mehr als 30.000$ kosten. Der Strom für E Fahrzeuge wird auch noch subventioniert. Eine Akkuladung für 400km kostet rund 2,00 US Dollar. Das ist eine Hausnummer. Fehlt nur noch der Strom :D
Aber schon erstaunlich für ein Land wie Ecuador, dass keine ambitionierte Klimapolitik in der Agenda hat und Klimawandel/Neutralität so überhaupt kein Thema sind. Nicht in der Bevölkerung, den Medien und der Politik. Solche Maßnahmen würde ich dann eher von Ländern erwarten, die mit einer ambitionierten Klimapolitik daherkommen.
Auch ohne öffentliche Diskussion weiß die Regierung, niemand kauft aus Gründen der Klimaneutralität ein Elektroauto.Dazu bedarf es handfesterer Argumente. In Quito sind die E Fahrzeuge von der Pico/Placa Regelung ausgenommen. Zur den Stosszeiten morgens und abends dürfen den einen Tag nur Fahrzeuge mit geradem Kennzeichen fahren, den anderen Tag ist nur ungerades Kennzeichen erlaubt. Und das Parken auf den öffentlichen, sonst kostenpflichtigen Parkplätzen, ist kostenlos.
Auf der letzten Automobilmesse war Renault mit 4 rein elektrischen Modellen am Start. Die haben sich was vorgenommen. Genießen hier einen ausgezeichneten Ruf und können preislich gut in der asiatischen Liga mitspielen. Die Fahrzeuge werden, wie die Mehrzahl der hiesigen Fahrzeuge, in China produziert. Bin gespannt ob Renault der Firma BYD paroli bieten kann. Auch Chevi hat sein Montagewerk in Quito geschlossen und den beliefert den Markt von China aus. Der Trend ist eindeutig.
Auf einer grossen Mülldeponie in Quito hat der spanische Betreiber die Methan Rückgewinnungsanlage fertig gestellt und liefert Strom für 40.000 Haushalte. Desweiteren finanziert Japan das erste Geothermie Kraftwerk, nicht weit entfernt. Kein riesen Kraftwerk aber ein Anfang. Allen ist klar, daß Land braucht neben der Wasserkraft eine dezentrale Stromerzeugung, möglichst mit Wind, Solar, Biomasse und Geothermie. Aber ohne ausländische Investoren/Entwicklungsbanken finanziell nicht zu bewerkstelligen.
Haus fertig, höchstens mal Staubwischen und Rasen mähen, Geld erfolgreich versenkt, kann das Jahr ruhig ausklingen. Zeit, diverse angefangene Arbeiten bei uns auf dem Grundstück zu Ende zu bringen. Ein neues Bauprojekt will ich nicht anfangen, der hiesige Grundstücksmarkt ist mir jetzt zu teuer geworden. 40.000 -45.000 Dollar für ein unerschlossenes 400m2 Grundstück in bescheidener Lage. Da hört es auf, das macht die Bauerei unwirtschaftlich. Mehr als 120-130.000$ für ein schlüsselfertiges Haus mit 125 m2 gibt der Markt nicht her. Zinsen sind weiterhin unverändert. Baufinanzierug liegt bei 13%. Dafür gibt's, wie schon die letzten 10 Jahre, 9,5-10,5 % Zinsen für einjährige Spareinlagen. Steuerfrei und bei einer Inflationsrate unter 1% durchaus lukrativ. Wird nur für Anleger immer schwieriger Gelder zu transferieren. Staat und Banken versuchen die Geldströme der organisierten Kriminalität trocken zu legen. Ein Freund von mir, regelmäßig in Ecuador, hat sich 5000.00 Dollar von seinem deutschen Konto auf sein hiesiges überwiesen. Das Geld ging wieder zurück. Ohne Herkunftsnachweis, natürlich notariell beglaubigt und ins spanische übersetzt, geht es nicht.
Das ganze Jahr über haben wir uns an unseren Zitronen, Bananen und Apfelsinen erfreut. Nun soll es abwechslungsreicher werden. Hochbeet und Spaliere gebaut. Taxo, Maracuya, Wein gepflanz. Apfelbaum und Blaubeerbüsche, dazu Erdbeeren und Salat. Aber ein Granatapfel hängt an unserem Baum und der Avocadobaum blüht zum ersten Mal. Vom Klima her, kann man alles pflanzen, was auch aus Deutschland bekannt ist. Dazu Gewächse, wie man sie aus Südeuropa kennt und dann noch eher subtropisches Zeugs. Im Gegensatz zu Deutschland hat man 12 Monate im Jahr Erntezeit.
Vorgestern die neuen Stromausfallpläne, weiterhin 8-10 Std täglich, bekommen. Die haben schon einen Plan bis Ende November. Erstaunlich, so viel Plan ist völlig ungewohnt, kennen wir gar nicht :joke:
Aber heute ist die Welt wieder in Ordung, der Strom muss 14 Std täglich abgeschaltet werden. Neuer Plan :D
Gibt jetzt eine Vereinbarung mit der Industrie und den Arbeitnehmern. 4 Tage Woche mit jeweils 10 Std Arbeitszeit. Manche Betriebe arbeiten von Montag bis Donnerstag, andere von Donnerstag bis Sonntag. Damit kann der Stromverbrauch besser verteilt werden. Solcherlei Entscheidungen sind ganz fix getroffen, da sind alle Beteiligten sehr flexibel.
Ab morgen wird bei uns von 7.00-14.00 und von 17.00-24.00
der Strom abgestellt. Also Wechselrichter.....halte durch :D

Gruß aus dem sonnigen Cotacachi


Jens

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Re: Lagebericht Ecuador

#344 Beitrag von Der Initiator » 2024-10-25 16:35:24

Enzo hat geschrieben:
2024-10-25 16:25:40
Aber schon erstaunlich für ein Land wie Ecuador, dass keine ambitionierte Klimapolitik in der Agenda hat und Klimawandel/Neutralität so überhaupt kein Thema sind. Nicht in der Bevölkerung, den Medien und der Politik.
Hm...Zugleich schreibst du
Enzo hat geschrieben:
2024-10-25 16:25:40
Befreit von Einfuhr und Luxussteuer, sowie Mehrwertsteuerbefreit kommt da eine gewaltige staatliche Förderung zusammen. Das Einstiegsmodell, der Dolphin mit 400km Reichweite, würde sonst statt 20.000$ mehr als 30.000$ kosten. Der Strom für E Fahrzeuge wird auch noch subventioniert.
usw. Passt irgendwie nicht, wer macht denn dort Steuern und Subventionen, wenn nicht die Politik?
Ich bitte darum, mich hier nicht "hier-könnte-mein-Name-stehen" und auch nicht "früher-war-ich-mal" zu nennen. Mein Nick reicht völlig und er schließt vor allem keins aus 😇 Vielen Dank

Auf einen Schelmen anderthalbe...

Es gibt nichts Gutes, außer du kannst es bezahlen.

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Re: Lagebericht Ecuador

#345 Beitrag von Seebser » 2024-10-26 0:53:32

Ich habe die Aussage so verstanden, dass Ecuador ohne viel darüber zu reden die E.Mobilität massiv unterstützt, während andere Länder die Medial und in der Politik viel Umweltschutz propagieren sehr viel weniger machen.
Scheiß da nix, daun feut da nix!

(auf Deutsch, frei übersetzt: "Mach dir keine Sorgen, dann hast du keine!")

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Re: Lagebericht Ecuador

#346 Beitrag von Enzo » 2024-10-26 13:55:07

Einige politischen Entscheidungen sind äusseren Umständen geschuldet, andere kann ich mir nicht erklären, weil tatsächlich nicht so viel geredet, erklärt und debattiert wird. Da geht's eher norddeutsch zu "nicht lange schnacken, Kopf in Nacken" :joke:
Die Subventionen für Super und Normalbenzin wurden auf Druck des IWFs abgeschafft. Sonst keine neuen Kredite. Die zollfreie Einfuhr von Elektrofahrzeugen ist dem Handelsabkommen mit China geschuldet. Dafür kann Ecuador dann Garnelen und Thunfisch, so viel es will, zollfrei nach China exportieren, also sehr vereinfacht ausgedrückt.
Warum ein reines E-Fahrzeug zudem von Luxus und Mehrwertsteuer befreit ist, keine Ahnung. Bisher hat sich noch keiner medienwirksam hingestellt und dies als Beitrag zur Klimaneutralität angepriesen. Evtl ist es mal in einem Nebensatz erwähnt worden und ich habe es nicht mitbekommen. Oder es ist noch Bestandteil des alten großen Planes. Produktion von günstigen Strom aus Wasserkraft, Subventionierung von "Stromfressern", wenn es dazu beiträgt den Verbrauch von subventionierten fossilen Energien zu senken. Kostet den Staat unter dem Strich deutlich weniger. Aber nun sind die Subventionen für Benzin eh gestrichen und die Wasserkraftwerke liegen trocken.
Egal........ Steuerbefreiungen sind immer gut :joke: auch wenn ich nun nicht gerade der Käufer eines neuen Autos bin. Und nächstes Jahr bin ich "altersbedingt" auch mehrwertsteuerbefreit und das Benzin wird wieder günstiger :D

Jens

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Re: Lagebericht Ecuador

#347 Beitrag von Landei » 2024-10-26 15:38:33

Enzo hat geschrieben:
2024-10-26 13:55:07
Und nächstes Jahr bin ich "altersbedingt" auch mehrwertsteuerbefreit und das Benzin wird wieder günstiger :D

Jens

Das wäre doch mal etwas für das Wahlprogramm der „Grauen Panther“ :joke:

(und dann kommt die MWSt Befreiung, —außer auf Pürierstäbe, Kukident und Hoseneinlagen… :ninja: )


Der Traktionswechsel ohne großes Geschmeiß drumherum klingt interessant, wenn auch recht widersprüchlich. Ich würde ja schon gerne mal in 50 Jahren vorbeischauen, wie sich die unterschiedlichen Herangehensweisen an Änderungen auf der Welt letztlich ausgewirkt haben werden.
Wenn sich Reichsbürger beharrlich über 100 Jahre halten (und gefühlt auch noch vermehren?) , dann gibt es in 50 Jahren bestimmt auch Fossilbürger :D .

Ich drücke deinem Wechselrichter die Daumen!

Jochen

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Enzo
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Re: Lagebericht Ecuador

#348 Beitrag von Enzo » 2024-10-26 16:50:16

Landei hat geschrieben:
2024-10-26 15:38:33
wenn auch recht widersprüchlich
Genauso ist es
Landei hat geschrieben:
2024-10-26 15:38:33
Das wäre doch mal etwas für das Wahlprogramm der „Grauen Panther“
Dann aber auch als Ausgleich die Ausgaben des Sozialstaats auf Null setzten. Dies gäbe dann auch finanziellen Spielraum für die Mehrwertsteuerbefreiung der Rentner.

Schönes Wochenende

Jens

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Joe
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Re: Lagebericht Ecuador

#349 Beitrag von Joe » 2024-10-27 11:04:35

Moin,

danke für die Infos und Fotos. Und natürlich die Einblicke in Land und Leute.
lg
Joe
Mit lieben Grüßen von der Nahe
Joe

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