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Beitrag
von Ingenieur » 2006-12-07 21:21:05
Hallo Bernhard,
heute habe ich ein wenig Zeit, um etwas ausführlicher zu antworten:
A) Mein Rahmen ist heute bei der Verzinkerei gelandet, Montag soll er fertig sein.
B) Die Verzinkerei "Feuerverzinkung Hannover" in Langenhagen bei Hannover
verzinkt jede Menge Rahmen von PKW-Anhängern und LKW. In Hannover geht
aber nur bis 7,50 m Länge. Die PKW-Anhängerrahmen habe ich gesehen, wegen der
LKW-Rahmen ruft die Betriebsleitung bei mir an, wenn gerade was da ist, und
ich bei Tageslicht ein vernünfiges Foto machen kann. Die PKW-Anhängerahmen
waren alle aus kaltverformten Profilen.
C) S235 und S355 (als kaltverformte Profile) sind überhaupt kein Problem
- so die Betriebsleitung - , denn jedes olle Geländer hat gekantete Hohlprofile,
oder geschweißte Stahlrohre.
D) Bei Feinkornstahl kann es bei einer Feuerverzinkung zu Rißbildung kommen.
Das ist der Fluch der gewichtsoptimierten Rahmen von "Cityflitzern".
Ich habe selbst schon bei IVECO durchgebrochene (lackierte) Rahmen von Daily's
gesehen.
Nun zum Beitrag von Bernhard:
E) "... die Zusammensetzung des Zinkbades abweichend von den Anforderungen
der DIN 1461 ..."
Welche Abweichungen sind denn gefragt ?
Bitte mal explizit angeben.
F) "... Risse ... treten auf,"
F1) "... wenn es nicht möglich ist, die Anforderungen an eine
verzinkungsgerechte Konstruktion voll zu erfüllen."
Na logisch, wenn man eine Konstruktion z.B. mit geschlossenen Hohlräumen
baut, gibt es Risse bis hin zur Explosion beim Eintauchen des kalten Teils in
das heiße Zinkbad.
Das Bauteil muß nun mal so hergerichtet werden, daß es ohne Schaden
erhitzt werden kann.
Ein Maler entfettet ja auch den Anstrichgrund, damit das Arbeits-Ergebnis
vernünftig wird.
F2) "... Zusammensetzung des Zinkbades nicht Einschränkungen ..."
Siehe oben.
G) "... Den Risseerscheinungen können ... 2 Ursachen unterstellt werden."
G1) "... wasserstoffinduzierte Brüche ... bei Vorhandensein von (plastischen)
Eigenspannungen)
Stahl wird härter aber auch spröder durch das Eindiffundieren von Stickstoff
und Wasserstoff. Beide Elemente sind unerwünschte Stahlbegleiter.
In den 60er und 70er Jahren hat man aus Kostengründen den flüssigen
Stahl durch "Windfrischen" d.h. durch das Einblasen von Luft gereinigt.
Im Ergebnis macht der so gewonnene Thomasstahl einen Alterungsprozeß
durch. Der Stahl wird mit der Zeit härter, aber auch spröder. Eine bessere
Zähigkeit erreicht man mit "Sauerstofffrischen", was aber auch teurer ist.
Jeder möge nun selbst analysieren welchen Herstellungsprozeß der Stahl
durchlaufen hat, aus dem sein Auto gebaut ist.
Einen kleinen Teil Wasserstoff kann man auch über die Oberfläche eintragen.
Der Teil ist aber bei grobkörnigem Stahl vernachlässigbar gering. Jede
Druckgasflasche für Wasserstoff ist exakt die gleiche, wie für Sauerstoff, und
da wird der konzentrierte Wasserstoff mit 200 bar in den Stahl gedrückt.
Im Beizbad ist es 1 Bar im gebundenen Wasser und ohne Elektrolyse.
Spannender ist die elektrochemische = galvanische Verzinkung hochfester =
feinkörniger Werkstoffe z.B. bei Schrauben. Da entsteht nun wieder elementarer
Wasserstoff. Deswegen dürfen Schrauben oberhalb der Güte 8.8 legal nicht
galvanisch verzinkt werden. Sehrwohl gibt es aber hochfeste Schrauben in
10.9, die Feuerverzinkt sind!
Viel gefährlicher ist der Wasserstoffeintrag in Schweißnähte bei der Verwendung
fehlerhaft rückgetrockneter Schweißelektroden!
Der Begriff "plastische Eigenspannungen" ist ein Widerspruch in sich. Entweder
der Stahl hat Eigenspannungen (es gibt keinen Stahl ohne!), oder die Eigen-
spannungen sind durch plastische Verformung abgebaut. Ich kenne da einen
Fall von einer Lieferung Stahlträger aus einem Walzwerk in Luxemburg, da
waren die Eigenspannungen am Ende vom Produktionsprozeß so groß, daß sich
die Träger während des Eisenbahntransportes (Erschütterungen) entspannt haben,
und verbogen beim Kunden angekommen sind.
Eigenspannungen lassen sich nur durch Spannungsarmglühen reduzieren.
G2) "... Flüssigmetallversprödung ... dringt flüssiges Metall in die vorhandenen
Anfangskerben ... ein ... und reduziert die maximal aufnehmbaren
Zugspannungen."
Kerben sind für dynamisch belastete Konstruktionen sehr gefährlich.
Kerben, Körnerschläge und geometrische Imperferkionen (keine fließenden
Übergänge) können im normalen Leben schon den Tot einer dynamisch
belasteten Konstruktion bedeuten. Da braucht es kein Zinkbad.
Viel spannender finde ich die Frage, ob nicht eine Kerbe durch ein Zinkbad
geheilt werden kann. Klar hat Zink eine geringere Zugfestigkeit als der
Grundwerkstoff, aber wenn der Grundwerkstoff nicht voll ausgenutzt ist, könnten
die Zugspannungen ja vieleicht vom Zink aufgenommen werden, wo bisher nur
Luft war (ähnlich einer Lötverbindung).
Also lieber eine Kerbe ausschleifen oder abbohren und mit einer geringeren
Materialstärke die geschädigte Konstruktion retten. Das machen wir im
Brückenbau genauso: Einen Riß ein paar cm mit dem Bleistift verlängern, und
dann dort ein Loch bohren. Fertig ist die Sanierung.
H) Die gängigen Konstriktionsrichtlinien: Dickensprünge / Schweinahtanordnungen /
Schweißfolgen sollte man sowieso beachten. Ansonsten sollte man sich
auf die Herstellung von Gartenzäunen beschränken.
I) " ... Fahrzeugrahmen - U - Profile beziehen einen wesentlichen Teil ihrer
Eigenschaften aus der Kaltumformung, einhergehend mit
Eigenspannungen."
Das mit den Eigenspannungen hatte ich oben schon ausgeführt.
Daß die U-Profile einen wesentlichen Teil ihrer Eigenschaften aus der Kaltumformung
beziehen, bestreite ich. Lediglich die Geometrie kommt daher. Niemand rechnet
die Kantbögen in anderer Festikkeit als die Gurte eines U-Profils. Allein schon
wegen der unbekannten Höhe der Relaxation wagt es niemand da zu diffenzieren.
Auch hier gibt es einen Alterungsprozeß. Die Verfestigung in den kalt umgeformten
Zonen klingt mit der Zeit ab. Negatives Beispiel: Rippentorstähle im Bauwesen.
Die sind mit wachsender Begeisterung in den 60er und 70er Jahren eingebaut
worden. Erstens altern sie, und zweitens sind sie nicht thermostabil.
Klar gibt es höhere Eigenspannungen, die können aber auch in Walzprofilen
vorkommen (siehe oben).
J) ... Abhängig von der Einwirkzeit wird wohl ein Teil der Eigenschaften unter
1 (I) beeinträchtigt werden."
Naja, 'wird wohl' ist keine fundierte Aussage. Wahrscheinlich ist das Abklingen
von Eigenspannungen und dem Einhergehen von Verzug gemeint.
Verzug gibt es bei kaltumgeformten Teilen immer, wenn eine Wärmebehandlung
folgt. Nur ist bei sorgfältiger Planung der Konstruktion der Verzug sehr
gering und nicht gebrauchsabträglich.
K) "... Die Elastizität leidet"
Na das verstehe ich nicht. Die elastische Verformung ist der reversible Teil der
Verformung. Mir sind keine Forschungsergebnisse bekannt, wo ein Einfluß der
Verzinkung auf den elastischen Teil des Sigma-Epsilon-Diagramms nachgewiesen
ist.
L) Lack und Zink ist ein umfassendes Thema.
Meißtens blättert der Lack ab.
Dahr Glasperlstrahlen oder Bewittern nicht vergessen.
M) "... lassen Sie nie tragende Teile des Rahmens und Fahrwerksteile ...
Feuerverzinken ... die Betriebserlaubnis kann erlöschen ... weil ... die
Rahmenteile sich dadurch verziehen."
Na klar erlischt die Betriebserlaubnis wenn durch das heiße Zinkbad aus dem
U-Profil ein glattes Blech geworden ist. Das kommt aber nur vor, wenn
'Heimwerker' was zum verzinken geben.
Solange der Verzug die Gebrauchstauglichkeit nicht beeinträchtigt gibt es überhaupt
keinen Grund die Feuerverzinkung abzulehnen.
Fazit:
Wenn man weiß, was man beachten muß, kann man Fahrzeugrahmen aus
St 37 / St 52 problemlos feuerverzinken.
Ich besorge demnächt ein Foto von einem verzinken LKW-Rahmen, der
in Hannover bearbeitet worden ist.
...
Zuletzt geändert von
Ingenieur am 2006-12-07 22:42:40, insgesamt 1-mal geändert.
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