Kurzhauber: Radnabe HA sifft, Radlager erneuern oder das Märchen vom Simmering
Verfasst: 2022-04-20 11:03:40
Hallo Forum,
Gerüchte, die sich hartnäckig halten: Im Allgemeinen z.B. der Eisengehalt im Spinat, im Speziellen die Geschichte vom defekten Simmering in der Radnabe der Hinterachse beim Kurzhauber. Wenn aus den Löchern der Radnabe an der Hinterachse "Öl" austritt, wird meistens der Simmering in der Radnabe verantwortlich gemacht. Das stimmt so nun mehrfach nicht: Zum einen handelt es sich meist nicht wie vermutet um Öl aus dem Differential, sondern um verflüssigtes Fett aus der Radnabe. Zum anderen hat das wiederum nichts mit dem Simmering in der Radnabe zu tun. Der Reihe nach:
Im Achs-Rohr befindet sich kein Simmering. Lediglich im Differentialgehäuse gibt es ein Schwallblech, welches verhindert dass übermäßig viel Öl aus dem Differential in das Achs-Rohr gelangt. Im Achs-Rohr ist lediglich die Steckachse und falls vorhanden auf der rechten Seite der Zylinder für die Betätigung der Differentialsperre (HL4 Achse). Die Steckachse ist außen mit der Radnabe verschraubt bzw. verzahnt.
Innerhalb der Radnabe befindet sich ein großer Simmering hinter dem inneren Radlager. In der Radnabe selbst sollte 700 Gramm Wälzlagerfett sein. Der Simmering verhindert das Austreten von Fett Richtung Bremse und das Eindringen von Schmutz in die Radnabe.
Trotzdem tritt häufig ölige Flüssigkeit aus den beiden Bohrungen der Radnabe aus.
Wie kommt's und was tut man dagegen?
Wie es kommt: Das Fett in der Radnabe verflüssigt sich mit der Zeit. Das kann daran liegen, dass das Fett recht alt ist. Auch wird die Verflüssigung beschleunigt, wenn statt Wälzlager-Fett "normales" Wald- und-Wiesen Mehrzweckfett in der Radnabe ist. Es lässt sich nämlich nicht vermeiden, dass mit der Zeit kleine Mengen Öl über das Achs-Rohr den Weg in die Radnabe findet. Das Mehrzweck-Fett mag das gar nicht und verflüssigt schnell. Eine weitere Ursache können verschlissene oder falsch eingestellte Radlager sein. Die Radnabe wird dadurch heiß, was ebenfalls die Verflüssigung begünstigt.
Abhilfe kann geschaffen werden, in dem man der Radnabe etwas Aufmerksamkeit in Form von neuem Fett und ggf. neuen Radlagern schenkt.
Wenn's mal so aussieht sollte man was machen. Reifen demontieren und Bremstrommel abdrücken (bei HL4 mit Sperre, bei Trommelnaben ist das ein Teil, sonst bleibt alles mehr oder minder gleich) Meist kommt auf der linken Seite mehr Gesabber raus. Das liegt daran dass rechts der Zylinder der Differentialsperre verhindert, dass Öl aus dem Differential Richtung Nabe gelangt. Was rauskommt ist dennoch kaum Öl aus dem Differential sondern hauptsächlich verflüssigtes Fett. Radnabe demontieren, dazu gibt es einen Klauenschlüssel von MB. Erst Sicherungsblech aufbiegen, dann äußere Mutter lösen, Sicherungsblech abnehmen, innere Mutter lösen. Jetzt kann die Nabe abgezogen werden, die Anlaufscheibe kann vorher mit einem Magneten abgenommen werden oder sie fällt bei der Demontage der Radnabe einfach mit vom Achs-Rohr. Jetzt kommt das beste von allem: Radnabe sauber machen. Sauerei....
Der Simmering sollte allemal erneuert werden, dazu wird am einfachsten der Innenring des inneren Radlagers ausgetrieben, der Simmering wird dabei mit ausgetrieben. Anschließend kann der Außenring des inneren Radlagers ausgetrieben werden. Man brauch nicht unbedingt Spezialwerkzeug dazu, allerdings sollte man darauf achten die Radnabe nicht zu beschädigen.
Um das äußere Radlager zu demontieren braucht man eine recht kräftige Seegeringzange, Spielzeug wird nicht funktionieren. Die mit neuen Lagern versehene Radnabe wird mit 700 Gramm Wälzlagerfett befüllt. Wieder Sauerei Zuletzt wird noch der neue Simmering eingetrieben. Zumindest hier empfiehlt sich ein passendes Werkzeug zu verwenden Die Radnabe kann jetzt wieder montiert werden:
Radnabe auf das Achs-Rohr schieben, dabei darauf achten den Simmering nicht zu beschädigen.
Jetzt wird zuerst die Anlaufscheibe aufgeschoben, danach die erste Mutter aufgeschraubt.
Einstellen der Radlager:
Dabei die Radnabe immer wieder drehen und mit einem Weichhammer bearbeiten damit sich die Lager setzen können. Die Mutter mit 100-150 Nm anziehen. Es sollte ein deutlicher Widerstand beim Drehen feststellbar sein.
Anschließend die Mutter wieder etwas lösen, bis an der Radnabe Spiel spürbar ist. Dazu die Radnabe mit beiden Händen fassen und kräftig hin und her drücken/ziehen.
Jetzt eine Meßuhr an der Radnabe befestigen und auf die Mutter tasten lassen. Das Radlagerspiel auf 0,02-0,04 mm einstellen.
Die Methode die Lager einfach "fest" zu ziehen und wieder 1/8 Umdrehung zu lösen kann ich mittlerweile nicht mehr empfehlen. Es hat sich herausgestellt, dass ein korrektes Radlagerspiel so nicht eingestellt werden kann. Die Folgen von falschem Lagerspiel sind jedoch erheblich, dazu am Ende noch mehr. Der richtige Nutmutternschlüssel ist hier unabdingbar. Ist das richtige Lagersiel erreicht (es ist nur wenig Drehen der Mutter nötig), Sicherungsblech aufschieben, zweite Mutter mit 300-350 Nm anziehen, Sicherungsblech umbiegen und das Radlagerspiel nochmals kontrollieren.
Die Folgen von falsch eingestelltem Radlagersiel sind nicht unerheblich: Die Nabe wird zu heiß, das schon mal nicht so gut. Was aber viel schlimmer ist: Die Nabe sitzt nicht mehr gerade auf dem Achs-Rohr (der Abstand Bremstrommel zu Bremsträgerplatte ist dann oben und unten nicht mehr gleich, leicht zu erkennen). Das kann dazu führen, dass die Steckachse am Achs-Rohr reibt, beschädigt wird und im schlimmsten Fall bricht. Bei verzahnten Steckachsen leidet auch die Verzahnung, und zwar so schlimm dass irgendwann kein Kraftschluss mehr möglich ist. Wenn man nun bedenkt dass die Steckachsen für die HL 4 Hinterachse im Kurzhauber nirgends mehr aufzutreiben sind, wird so ein falsch eingestelltes Radlagerspiel schnell zum Fiasko.
Benötigtes Werkzeug:
Hat man mehr oder weniger alles, der Sprengring verlangt nach einer großdimensionierte Seegeringzange, für die Lager und den Simmering sind entsprechende Werkzeuge zum aus- und eintreiben hilfreich, da kann man sich aber auch helfen. Unabdingbar ist der Nutmutternschlüssel. Wer hier Hilfe braucht kann mir scheiben, der Schlüssel ist leider bei MB nicht mehr lieferbar
Alles wieder hübsch Viel Spaß & Erfolg beim Schrauben!
Walter
Gerüchte, die sich hartnäckig halten: Im Allgemeinen z.B. der Eisengehalt im Spinat, im Speziellen die Geschichte vom defekten Simmering in der Radnabe der Hinterachse beim Kurzhauber. Wenn aus den Löchern der Radnabe an der Hinterachse "Öl" austritt, wird meistens der Simmering in der Radnabe verantwortlich gemacht. Das stimmt so nun mehrfach nicht: Zum einen handelt es sich meist nicht wie vermutet um Öl aus dem Differential, sondern um verflüssigtes Fett aus der Radnabe. Zum anderen hat das wiederum nichts mit dem Simmering in der Radnabe zu tun. Der Reihe nach:
Im Achs-Rohr befindet sich kein Simmering. Lediglich im Differentialgehäuse gibt es ein Schwallblech, welches verhindert dass übermäßig viel Öl aus dem Differential in das Achs-Rohr gelangt. Im Achs-Rohr ist lediglich die Steckachse und falls vorhanden auf der rechten Seite der Zylinder für die Betätigung der Differentialsperre (HL4 Achse). Die Steckachse ist außen mit der Radnabe verschraubt bzw. verzahnt.
Innerhalb der Radnabe befindet sich ein großer Simmering hinter dem inneren Radlager. In der Radnabe selbst sollte 700 Gramm Wälzlagerfett sein. Der Simmering verhindert das Austreten von Fett Richtung Bremse und das Eindringen von Schmutz in die Radnabe.
Trotzdem tritt häufig ölige Flüssigkeit aus den beiden Bohrungen der Radnabe aus.
Wie kommt's und was tut man dagegen?
Wie es kommt: Das Fett in der Radnabe verflüssigt sich mit der Zeit. Das kann daran liegen, dass das Fett recht alt ist. Auch wird die Verflüssigung beschleunigt, wenn statt Wälzlager-Fett "normales" Wald- und-Wiesen Mehrzweckfett in der Radnabe ist. Es lässt sich nämlich nicht vermeiden, dass mit der Zeit kleine Mengen Öl über das Achs-Rohr den Weg in die Radnabe findet. Das Mehrzweck-Fett mag das gar nicht und verflüssigt schnell. Eine weitere Ursache können verschlissene oder falsch eingestellte Radlager sein. Die Radnabe wird dadurch heiß, was ebenfalls die Verflüssigung begünstigt.
Abhilfe kann geschaffen werden, in dem man der Radnabe etwas Aufmerksamkeit in Form von neuem Fett und ggf. neuen Radlagern schenkt.
Wenn's mal so aussieht sollte man was machen. Reifen demontieren und Bremstrommel abdrücken (bei HL4 mit Sperre, bei Trommelnaben ist das ein Teil, sonst bleibt alles mehr oder minder gleich) Meist kommt auf der linken Seite mehr Gesabber raus. Das liegt daran dass rechts der Zylinder der Differentialsperre verhindert, dass Öl aus dem Differential Richtung Nabe gelangt. Was rauskommt ist dennoch kaum Öl aus dem Differential sondern hauptsächlich verflüssigtes Fett. Radnabe demontieren, dazu gibt es einen Klauenschlüssel von MB. Erst Sicherungsblech aufbiegen, dann äußere Mutter lösen, Sicherungsblech abnehmen, innere Mutter lösen. Jetzt kann die Nabe abgezogen werden, die Anlaufscheibe kann vorher mit einem Magneten abgenommen werden oder sie fällt bei der Demontage der Radnabe einfach mit vom Achs-Rohr. Jetzt kommt das beste von allem: Radnabe sauber machen. Sauerei....
Der Simmering sollte allemal erneuert werden, dazu wird am einfachsten der Innenring des inneren Radlagers ausgetrieben, der Simmering wird dabei mit ausgetrieben. Anschließend kann der Außenring des inneren Radlagers ausgetrieben werden. Man brauch nicht unbedingt Spezialwerkzeug dazu, allerdings sollte man darauf achten die Radnabe nicht zu beschädigen.
Um das äußere Radlager zu demontieren braucht man eine recht kräftige Seegeringzange, Spielzeug wird nicht funktionieren. Die mit neuen Lagern versehene Radnabe wird mit 700 Gramm Wälzlagerfett befüllt. Wieder Sauerei Zuletzt wird noch der neue Simmering eingetrieben. Zumindest hier empfiehlt sich ein passendes Werkzeug zu verwenden Die Radnabe kann jetzt wieder montiert werden:
Radnabe auf das Achs-Rohr schieben, dabei darauf achten den Simmering nicht zu beschädigen.
Jetzt wird zuerst die Anlaufscheibe aufgeschoben, danach die erste Mutter aufgeschraubt.
Einstellen der Radlager:
Dabei die Radnabe immer wieder drehen und mit einem Weichhammer bearbeiten damit sich die Lager setzen können. Die Mutter mit 100-150 Nm anziehen. Es sollte ein deutlicher Widerstand beim Drehen feststellbar sein.
Anschließend die Mutter wieder etwas lösen, bis an der Radnabe Spiel spürbar ist. Dazu die Radnabe mit beiden Händen fassen und kräftig hin und her drücken/ziehen.
Jetzt eine Meßuhr an der Radnabe befestigen und auf die Mutter tasten lassen. Das Radlagerspiel auf 0,02-0,04 mm einstellen.
Die Methode die Lager einfach "fest" zu ziehen und wieder 1/8 Umdrehung zu lösen kann ich mittlerweile nicht mehr empfehlen. Es hat sich herausgestellt, dass ein korrektes Radlagerspiel so nicht eingestellt werden kann. Die Folgen von falschem Lagerspiel sind jedoch erheblich, dazu am Ende noch mehr. Der richtige Nutmutternschlüssel ist hier unabdingbar. Ist das richtige Lagersiel erreicht (es ist nur wenig Drehen der Mutter nötig), Sicherungsblech aufschieben, zweite Mutter mit 300-350 Nm anziehen, Sicherungsblech umbiegen und das Radlagerspiel nochmals kontrollieren.
Die Folgen von falsch eingestelltem Radlagersiel sind nicht unerheblich: Die Nabe wird zu heiß, das schon mal nicht so gut. Was aber viel schlimmer ist: Die Nabe sitzt nicht mehr gerade auf dem Achs-Rohr (der Abstand Bremstrommel zu Bremsträgerplatte ist dann oben und unten nicht mehr gleich, leicht zu erkennen). Das kann dazu führen, dass die Steckachse am Achs-Rohr reibt, beschädigt wird und im schlimmsten Fall bricht. Bei verzahnten Steckachsen leidet auch die Verzahnung, und zwar so schlimm dass irgendwann kein Kraftschluss mehr möglich ist. Wenn man nun bedenkt dass die Steckachsen für die HL 4 Hinterachse im Kurzhauber nirgends mehr aufzutreiben sind, wird so ein falsch eingestelltes Radlagerspiel schnell zum Fiasko.
Benötigtes Werkzeug:
Hat man mehr oder weniger alles, der Sprengring verlangt nach einer großdimensionierte Seegeringzange, für die Lager und den Simmering sind entsprechende Werkzeuge zum aus- und eintreiben hilfreich, da kann man sich aber auch helfen. Unabdingbar ist der Nutmutternschlüssel. Wer hier Hilfe braucht kann mir scheiben, der Schlüssel ist leider bei MB nicht mehr lieferbar
Alles wieder hübsch Viel Spaß & Erfolg beim Schrauben!
Walter