makabrios hat geschrieben:Hallo @ Hendrik,
bitte könntest du uns die andere Hälfte von dem gefährlichen Wissen wissen lassen?
Gruß
MAK
Gerne.
Grundsätzlich zum Thema:
Es ist vollkommen richtig, daß die (Lanz-) Glühkopf-, Halbdiesel- und Volldieselmotoren vorwärts und rückwärts laufen können. Regelrecht in beide Richtungen
arbeiten konnten allerdings nur die ganz frühen Glühköpfe bis ca. 1927/28.
Das Problem liegt hierbei beim Schmieröl, welches sich im Betrieb im Kurbelgehäuse sammelt. Die alten Glühköpfe bis zum o.g. Baujahr hatten hierfür entweder gar keine Rückförderpumpe (sondern nur einen kleinen Ablaßhahn, der gefälligst alle paar Stunden geöffnet werden sollte, damit das überschüssige Öl ins freie laufen konnte), oder aber eine Kolbenpumpe, welche das gebrauchte Öl zurückförderte.
Alle Lanz- Zweitakter nach 1933 hatten eine Zahnradpumpe, die das Öl in einen Tank zurückförderte. Das heißt: diese Pumpe arbeitet nur korrekt, wenn der Motor in die richtige Richtung dreht. Lässt man diese Motoren Stunden lang "rückwärts" laufen, sammelt sich das Öl stetig im Kurbelgehäuse, da die Rückförderpumpe drückt, und nicht saugt, wie sie es tun soll. Darauf wird in allen BAs hingewiesen.
Ein weiterer Grund, warum die Glühköpfe nach 1933 rückwärts laufen können aber nicht sollen, ist der Achsversatz zwischen Zylinderachse und Kurbelwellenebene- ich denke, Ihr wisst, was ich meine. Um Reibung zu vermindern und die Leistung zu erhöhen, wurde 1933 diese Maßnahme ergriffen.
Andere Gründe, wie z.B. der Einspritzzeitpunkt (der auch bei den Lanz-Zweitaktern bei Rückwärtslauf dann nicht mehr stimmt), eine Lichtmaschine, die nicht mehr lädt, lasse ich mal außen vor.
Ab 1955 war das rückwärts laufen lassen eh nur noch lästig, da die Volldieselbulldogs ab diesem Zeitpunkt keine Flachriemenscheibe mehr auf der Kurbelwelle zum Antreiben von Dreschmaschinen usw. hatten. Eine rückwärtsdrehende Zapfwelle aht noch niemandem geholfen...
Jetzt etwas Offtopic zum Thema Lanz:
makabrios hat geschrieben:Bei den ganz frühen Modellen, etwa bis 1935, war im Getriebe gar kein Rückwärtsgang vorgesehen.
Die ersten Bulldogs mit Rückwärtsgang waren die HR4 Bulldogs, gebaut ab 1929.
makabrios hat geschrieben:Beim Anlassen der Bulldogs gabs immer wieder schwere Verletzungen und sogar Totschlag beim Lösen des Lenkrads von der Schwungscheibe. Deshalb mußten auf Anforderung der Landw. Berufsgenossenschaft in den 60er Jahren die Lenkräder festgeschweißt und die Schwungscheiben so umgebaut werden, daß sie von Hand angedreht werden konnten.
Von auf Anordung festgeschweißten Lenkrädern höre ich zum ersten Mal, will das aber nicht abstreiten. 1948 hat Lanz von der Landwirttschaftlichen Berufsgenossenschaft auferlegt bekommen, das Starten mit dem Lenkrad "zu entschärfen". 1948-1949 wurden die Bulldogs dann mit einem herunterklappbaren Bügel augeliefert, der das Lenkrad sicher führte. Ab 1949 war das Starten per Lenkrad ganz passé... es gab einen abnehmbaren Deckel und eine fest installierte Anwurfscheibe... dann konnte nichts mehr passieren.
Man darf halt nicht vergessen, daß ab den 1960er Jahren die Glühköpfe reihenweise dem Schneidbrenner zum Opfer fielen und somit die Gefahr des Anlassens sich von selbst regulierte.
makabrios hat geschrieben:Spätere LANZ hatten einen Rückwärtsgang und ein Anzeigeinstrument für die Motordrehrichtung, nach dem Krieg sogar Anlasser.
Wie gesagt: Rückwärtsgang ab 1929, Drehrichtungsanzeiger und el. Anlasser (Sonderausstattung) ab 1934. Anlasser ab 1955 serienmäßig bei den Volldieseln.
Prickel hat geschrieben:
MAK,
schau mal hier, ab 2.20 bis 3.30
Kenne diesen Ursus in und auswendig, der pendelt sogar noch viel länger,
wenn zufällig die Temperatur gut passt.
Zähne vom Handgashebel passen halt nicht immer so perfekt.
Das laute metallische Schlagen kommt von der Daumenwelle und ist normal.
http://www.youtube.com/watch?v=Lds51Wmh ... plpp_video
Wenn ein Bulldogmotor pendeln kann (das können nur die Glühköpfe!), ist das ein Zeichen eines Top-eingestellten und leichtgängigen Reglers, einer sehr guten Einspritzdüse und guter Kompression.
Lange pendeln lassen ist aber alles andere als gesund, da hierbei keinerlei Schmierung des Kurbeltriebs erfolgt.
exec8 hat geschrieben:Hallo,
so sah der Lanz aus, der ist allerdings Baujahr 2012, ein Nachbau. Im Bild wird gerade der liegende Zylinder mit dem Brenner "vorgeglüht", dauert gut 10 Minuten. Dann am großen Schwungrad drehen und das Ding läuft. Wenn ich mich recht erinnere, so 4-5 PS aus ca. 7l Hub

Rückwärts ging es tatsächlich nur mit Änderung der Motordrehrichtung.
Viele Grüße
Peter
Das ist ein Nachbau des ersten Glühkopf-Schleppers aus dem Hause Lanz, dem HL, auch genannt "Bulldog". Er leistet 12 PS aus 6,3 Litern Hubraum. Dieser "Traktor" hat überhaupt kein Getriebe! Es gab auch eine kleinere Version: HM, auch "Mops" genannt, mit 8 PS.
makabrios hat geschrieben:
Übrigens LANZ in Deutschland baute dieses Teil zuerst. Den Namen "Bulldog" haben sie von MA(C)K geklaut . Die Motorenkonstruktion ist von Dr.Huber, dem ein Bauernfahrzeug "nicht einzilindrig genug" sein konnte.
Polnischer Lizenzbau war der von Prickel beschriebene Ursus.
Italienischer Lizenzbau war der Landini Testacalda.
Gruß
MAK
Den Namen "Bulldog" hat Lanz bei Mack geklaut? Kannst du das belegen? Meines Wissens wurde der HL 12 im Jahre 1921 "Bulldog" genannt, weil er von vorn mit seinem charakteristischem Glühkopf und den beiden Schwungrädern einen Lanz-Mitarbeiter an eine Bulldogge erinnerte.
Prickel hat geschrieben:na ja,
Lizenzbau kann man das wohl nicht nennen.
Werk Mannheim wurde leergeräumt
und in Polen ging es mit den ganzen Einzelteilen, Maschinen und Gussformen weiter.
Bis auf das Steigrohr, da stand dann halt Ursus drauf.
Ach ja, Auspuff war gerade, Kotflügel hinten eckig mit Lampen davor und ein gaaanz breites Stoffdach bekam er auch
Der C45 ist ein Lanz 9506 "Weiterbau"
Echt Linzenz war in Argentinien. Pampa hieß das Ding.
Wer dort noch einen findet, Verschiffung dürfte sich lohnen.
Australien, KL Bulldog, auch echte Lizenz.
VG Tom
Es ist unwahrscheinlich, daß nach Ende des 2. WK eine Mannheimer Fabrik leergeräumt und nach Polen verfrachtet wurde. Da hätten die Amis aber Alarm geschlagen!
Weiter gab's da eh nicht mehr viel, seitdem es 1944 zu 90% ausgebombt wurde. 1945 haben die wenigen, verbliebenen Lanz-Werker die ersten Bulldogs aus heilgebliebenen Ersatzteilen zusammengepuzzelt. Da entstanden die abteuerlichsten Maschinen.
Vielmehr unterhielt Lanz in der Zeit vor dem 2.WK große Niederlassungen in deren Haupt-Absatzgebiet, nämlich in Warschau und Breslau. Diese Filialen waren so groß, daß dort viele Ersatzeile hergestellt wurden.
Die Firma "Ursus" existiert zum Ende des Krieges schon lange und hatte langjährige Erfahrungen im Maschinen-, Fahrzeug- und Motorenbau (Glühkopfmotoren!). So wurden im Jahre 1947, nachdem sich der "Ostblock" von den Allierten Besatzern immer weiter abschottete, die alten Lanzfilialen beschlagnahmt. Ersatzteile, Pläne und ganze Schlepper waren noch ausreichend vorhanden. Die anlaufende Produktion geschah dann unter der Regie und dem markennamen "Ursus". Dier ersten Ursus C45 waren teilweise noch waschechte Lanz, bei denen man das Lanz-Emblem vn Hand vom Steigrohr schliff.
Der von dir genannte zylindrische Auspuff sowie die eckigen Kotflügel wurden erst mit der Einführung des "Facelifts", des C451, eingeführt.
Bitte nehmt mir meine Klugscheißerei nicht übel... nicht böse oder besserwisserisch gemeint, soll auch nicht so rüberkommen. Ich beschäftige mich mit den Mannheimer Eintöpfen einfach schon seit über zwanzig Jahren (in Theorie und Praxis) und finde, daß sie ein hochinteressantes Feld technischer Archäologie sind.
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Nochmal zurück zum eigentlichen Thema:
Ich hab' hier eine alte Ausgabe der Auto+Motor+Sport rumfliegen, aus 1976. Dort wird in wenigen Sätzen von einem amerikanischen Versuchs-Verbrennungsmotor berichtet, bei dem die Ventile nicht über die Nockenwelle gesteuert werden, sondern vollkommen unabhängig elektrohydraulisch (oder war's elektromagnetisch?). Dieser Motor konnte problemlos ohne irgendwelche Einschränkungen vorwärts- und rückwärts laufen, dabei konnte er während des Laufens einfach per Knopfdruck umgesteuert werden.
Gruß, Hendrik