Für mich hat der Argwohn gegen die Starlink-Satelliten was von den Dagegen-Reflexen, die Hausbewohner entwickeln, wenn nebenan ein neuer Nachbar einzieht und es wagt, ein Trampolin "vor mein Fenster" in seinem Garten aufzustellen. Bei Infrastrukturprojekten aller Art, egal ob Baulandentwicklung, Ortskernsanierung (Innenentwicklung), Funkmasten, Hochspannungsleitungen, Umgehungsstraßen, Radwege, Solarparks, Kindergärten, Schulen - es finden sich sofort Menschen, die sich zum "betroffenen Nachbarn" aufschwingen und mit einer Ausdauer und Akribie eine Anti-Haltung entwickeln, dass man sich wünscht, diese Menschen würden ihre Energie mal in nützliches ehrenamtliches Engagement stecken und nicht in "Ich-gönn-den-anderen-das-halt-nicht".
Die aktuellen Starlink-Satelliten haben eine technische Lebensdauer von 5 Jahren. Danach sinken sie tiefer und verglühen beim Eintritt in die Atmosphäre. Dass sie für lange Zeit die Erde als Weltraumschrott umkreisen, ist bei einer Bahnhöhe von 550km eher unwahrscheinlich. Die Kritik die von etablierten Raumfahrt-Institutionen wie der ESA und DLR zu hören ist (DLR: "Das ist künftiger Weltraumschrott"), ist heuchlerisch. Gerade ESA und DLR trugen und tragen mit dem Ariane-Programm, das die ESA viele Jahre als das erfolgreichste Satellitenstartprogramm der Welt rühmte, ganz massiv zum Weltraumschrott-Problem bei:
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Die 4,5 Tonnen schwere ECA Oberstufe der Ariane 5 tritt nach Aussetzen der Satelliten unkontrolliert in die Erdatmosphäre ein. Der Prozess kann über 70 Jahre dauern. Der Grund ist das veraltete HM7B Triebwerk, das ursprünglich für die Ariane 2 entwickelt wurde und nicht wiederstartbar ist. Nach 75 Starts der Ariane 5 ECA wurde so eine Gesamtmasse von über 300 Tonnen Weltraumschrott unkontrolliert im Orbit ausgesetzt." (
Quelle)
Der europäische Ariane-Schrott hat auch schon mal die ISS massiv gefährdet: ein 19 Quadratmeter großes Teil einer Ariane 5 rauschte 2009 mit gerade mal 1300m Abstand an der Raumstation vorbei. Ooops.(
Quelle).
Die "alten" Raumfahrtinstitutionen verhalten sich da komplett boomer-mäßig, wenn sie den jungen Raumfahrtunternehmen erklären wollen, was sie zu tun und was sie zu lassen haben. Ohne Musks Space X wären die USA mittlerweile bedeutungslos in der bemannten Raumfahrt. Die NASA hat sich von einer leistungsfähigen "Ingenieursmaschine" in einen ängstlichen überteuren und extrem trägen Selbstverwaltungsapparat verwandelt. Von den aktuellen Mars-Missionen abgesehen, die ein kleiner Teil der NASA ganz respektabel betreibt, lebt die NASA nur noch vom Glanz der Vergangenheit. Die NASA hat sogar mal festgestellt, dass die heute nicht mehr in der Lage wäre, ein Triebwerk wie das F1 der Saturn V zu bauen bzw. fertigen zu lassen (die Dinger wurden in Handarbeit geschweißt).
Dazu kommt, dass das Shuttle-Trauma o tief sitzt, dass man lieber nicht agiert, als falsch agiert, um es mit Christian Lindner zu sagen.
Musk ist ein Spinner, aber mit deutlich angenehmeren Visionen als andere Spinner auf dieser Welt. Ohne seine Teslas würde die deutsche Premium-Autoindustrie mitsamt ihren Fraunhofer-Fanboys weiterhin behaupten, Elektroautos würden nicht funktionieren und niemand würde die kaufen und zum Beweis würde man einen Golf 2 City Stromer in braun-metallic präsentieren, mit satten 40-70km Reichweite, je nach Steigung und Rückenwind.
Als Musks SpaceX begann, Raketenstufen stehend landen zu lassen, wurde Musk ausgelacht, es sei der Beweis dafür, dass er keine Ahnung von Raumfahrt hätte und er würde nur das Geld seiner Aktionäre dabei verbrennen.
Mittlerweile lacht niemand mehr, von der Falcon 9 sind 52 der Booster stehend wieder gelandet. Eine der Raketen wurde schon 5mal eingesetzt, vier schon 4mal und sechs schon 3mal, 23 sind schon zweimal eingesetzt worden. Das Merlin-Triebwerk ist konstruktiv auf 1.000 Flüge ausgelegt, die Falcon 9 Booster sind auf 100 Flüge ausgelegt. Schon jetzt hat SpaceX durch die Wiederverwendbarkeit der Startstufen einen uneinholbaren Preisvorteil gegenüber allen anderen Raketensystemen. Und er vermeidet Schrott, der im All herumeiert oder die die chinesische 5B unkontrolliert herunterfällt.
Momentan belächelt man mal wieder Musks neuestes Raketenprojekt, das silberen Starship, das aussieht wie eine Kreuzung aus Jules Verne's Mondrakete und einem blank polierten Agrarsilo. Die meisten der Landeversuche sind bislang gescheitert, neulich hats geklappt. Das Ziel: eine wiederverendbare Rakete mit 100t Nutzlast für Fracht oder 100 Passagiere. In der Serienversion soll ein Starship 1.000mal wiederverwendbar sein. Die Marskolonie werden wir und Musk wohl nicht mehr selbst erleben, aber sehr wahrscheinlich interkontinentale Flüge mit dem Starship als unschlagbar schnelle Konkurrenz zu Langstreckenflügen per Flugzeug.
Musk ist alles, nur kein Langweiler.
Grüsse
Tom