zurken hat geschrieben:Ich persönlich finde diese Sorge ebenso lächerlich wie die Angst mancher Leute, irgendwelche persönlichen Spuren im Internet zu hinterlassen. „What have I to lose?“

Moin,
wer so denkt, ist halt noch nicht mit seiner "digitalen Identität" auf die Schnauze gefallen. Das passt in etwa zur liberal-konservativen Stammtischparole "Wer nichts zu verbergen hat, braucht auch nichts zu befürchten"
Sorry, meiner persönlichen Meinung nach ist das zumindest gedankenlos. Es kommt vermutlich wirklich von den persönlichen Erfahrungen und am Umgang mit "sozialen" Daten im Internet steht die Gesellschaft gerade am Anfang, Facebook und Zuckerbergs lässiger Umgang mit den Daten seiner Nutzer ist da ein sehr interessantes Beispiel momentan.
In anderen Bereichen sind wir vorsichtiger. Niemand lässt hierzulande z.B. sein Auto mit steckendem Zündschlüssel vor dem Haus stehen (in Island geht das noch), weil die Erfahrung gezeigt hat, dass das nicht gut ist. Bei persönlichen Daten im Netz müssen wir wohl erst noch genügend schlechte Erfahrungen machen...
Zur Mißbrauchsmöglichkeit einer Ausweiskopie: auf dem Ausweis ist eine ID-Nr. diese wird im Netz u.a. von Anbietern von "ab-18-Seiten" zur Altersverifikation genutzt, teilweise auch bei Kauf-Vertragsabschlüssen online im Netz. Ist deine Ausweisnummer im Netz verfügbar, könnten z.B. Minderjährige in deinem Namen Pornoseiten besuchen, was im Zweifelsfall auf dich als "Halter" der Ausweisnummer zurückfallen würde. Oder jemand bestellt für dich aus Jux teure Waren und legitimiert sich mit deiner Ausweiskopie. Oder ein Kind bestellt gefährliche Gegenstände in einem Onlineshop (Pyrotechnik wird meist "nur gegen Vorlage einer Ausweiskopie" online verkauft) - viel Spaß aus so einer Nummer wieder herauszukommen, wenn da was schief geht. Auf der missbrauchten Ausweiskopie steht nämlich dein Name und deine Anschrift drauf, nicht die von Google Mail oder sonst einem Online-Dienstleister. D.h. der Staatsanwalt kommt erst mal auf dich zu...
Aber es geht künftig noch weiter: Biometrie, d.h. die Echtheits-Bestätigung eines Ausweisdokuments anhand unveränderlicher Körpermerkmale. Demnächst in allen unseren Ausweisdokumenten drin und bald auch elektronisch unbemerkt weil drahtlos auslesbar. Eine geklaute Kreditkarte kann ich heute problemlos sperren lassen und bekomme eine neue mit frischer Nummer. Wenn dir einer deinen elektronischen Fingerabdruckscan klaut und damit Unfug treibt, wirds schwierig mit dem Sperren lassen und einer neuen digitalen Identität. Vielleicht ergibt sich in Zukunft da ein Feld für Chirurgen und Gentechniker...
Dann sollte man sich im klaren sein, dass einmal ins Netz gestellte (persönliche) Daten unerbittlich drin sind und gefunden werden können. Selbst wenn man sie von den ursprünglichen Webseiten löschen konnte. Es gibt genügend Dienste wie Google Cache oder archive.org ("...is a non-profit digital library offering free universal access to ...as well as 150 billion archived web pages..."), die ein gewaltiges Erinnerungsvermögen auch längst gelöschter Inhalte besitzen.
Vielleicht wunderst du dich, warum es mit der Bewerbung um einen Job einfach nicht klappen will. Dabei tippt der Personaler am anderen Ende nur deine Daten mal kurz in eine Suchmaschine ein, checkt deine sozialen und beruflichen Netzwerke und findet merkwürdige Dinge über dich. Der geradlinige Lebenslauf auf dem Papier sieht dann plötzlich ganz anders aus, wenn man 10min Recherche im Netz betreibt.
Vom Realnamen zu fantasievollen Nicknames ist schnell eine Brücke geschlagen, spätestens, wenn man eine eigene Webseite betreibt, ist man mit seinen "echten" Daten beim Domainverwalter (Denic etc.) offen abrufbar.
Unser Neumitglied "Strassenpiratin" erlebt es ja auch gerade, dass aus Neugier das Netz nach Daten über sie umgegraben wird und man ganz schnell unter Erklärungs- und Rechtfertigungsdruck geraten kann.
Die meisten von uns gehen momentan noch sehr unbefangen mit ihren persönlichen Daten im Netz um. Sich über evtl. Schattenseiten Gedanken zu machen, sollte man nicht ins Lächerliche ziehen.
Sorry, wenn ich bei diesem Thema etwas humorlos reagiere, ist bei mir berufsbedingt, als Forschungsgutachter für die EU im Bereich "Trust&Security" im DG INFSO schaut man in so manchen Abgrund hinab, speziell was da von so mancher staatlichen Stelle feucht erträumt wird.
Da wird aus dem (nicht vom User abschaltbaren) ach so hippen iPhone das Cloud-Computing ganz schnell zum geklaut-Computing, die Kontrolle über meine Daten hat jemand anders. Amazon lässt ferngesteuert eBooks auf Kunden-Geräten löschen, obwohl die Kunden die Bücher ordnungsgemäß gekauft hatten (Amazon stellte im nachhinein fest, dass der kommerzielle eBook-Anbieter offenbar nicht die richtigen Vertriebsrechte besaß), Facebook teilt seinen Werbungs-Kunden mit, welches FB-Mitglied welche Werbung anschaut, nachlässige PC-User mit infizierten Rechnern lassen sich beim Onlinebanking unbemerkt die PIN abfishen oder Kriminelle fangen mit dem untergeschobenen Bot noch auf dem User-PC die Online-Überweisung ab und ändern Betrag und Empfängerkonto...
Da passt der neueste Gag aus der Cloud-Computing-Welt, das Online-Backup der eigenen Datenbestände bei irgendwelchen Anbietern auf Servern, die irgendwo auf der Welt stehen. Keiner macht sich die Mühe, nachzuprüfen, ob z.B. ein Online-Datensicherungs-Anbieter seine Server in USA stehen hat und (wie Google z.B.) ein Abkommen mit den dortigen Strafverfolgungsbehörden hat, die jederzeit deine Datenbestände anschauen können, ohne es dir mitteilen zu müssen... Da ist es nur ein kleiner Schritt bis zum unehrenhaften Listenplatz auf einer Liste unerwünschter Personen, die sich dann wundern, dass man sie nicht in die USA fliegen lässt, dabei waren sie doch nur ein paar Mal mit dem Allradlaster in Marokko und haben dabei echt coole Typen am Strand kennengelernt usw. usf.
Es gibt bei persönlichen Daten zwei Grundsätze:
1. Niemand außer mich gehen meine Daten etwas an.
2. Ausnahmen von Regel 1 bestimme ich selbst.
Stellt man persönliche Daten ungeschützt ins Netz, hat man Grundregel 2 schon aufgegeben.
My 2cents
Grüsse
Tom