Vielleicht dazu noch ein paar Nachsätze:
Russenkarre hat geschrieben: ↑2020-12-11 1:49:41
Kleiner Nachtrag zur Frage und eben erst online entdeckt (für alle Russisch-Versteher oder Translate-Tool-Beherrscher):
https://zen.yandex.ru/media/mmariya/kak ... 00aae16b1e
In einem staatlich beauftragten Vergleich zwischen GAZ-66-02, ZIL-131, Ural-4320, KamAZ-4310 und KrAZ-260 geht der Ural-4320 als klarer Sieger in fast allen Disziplinen hervor, was die Geländetauglichkeit angeht. Insbesondere vor dem Kontext meines Ziels (Einsatz in Eis und Schnee) scheint der KamaZ-4310 dem Ural 4320 klar unterlegen in Verwundbarkeit, Einsinktiefe in weichen Untergründen (Schnee, Matsch) und Co.
Was denkt ihr?
Was beim Ural tatsächlich sehr gut gelöst ist, ist die Verwundbarkeit. Das zeigen auch die Fotos auf der Internetseite. Anders als alle anderen gezeigten Lkw hat der Ural eine gedrehte Vorderachse. Die Kardanwelle liegt also deutlich höher. Auch die Spurstange kann dadurch wesentlich höher als bei den anderen Fahrzeugen sitzen und wird von der Vorderachse verdeckt. Die Druckluftkessel und der größte Teil der Verrohrung liegen im Rahmen und sind damit gut geschützt.
Ganz gut zu erkennen ist, mit welchen Teilen man aufsitzt, wenn es hart auf hart kommt. Der Batteriekasten am Beifahrereinstieg, der Endtopf vom Auspuff und, was wohl das Störenste ist, der Kraftstofftank. Die Konsolen des Kraftstofftanks sind jedoch so gebaut, dass sie den Tank zumindest an den Stirnseiten schützen. Das ist immerhin schon eine bessere Konstruktion, als bei einigen der Mitbewerber.
Das der KrAZ-260 schlecht abschneidet erklärt sich von alleine. Er ist einfach zu schwer.
Ein GAZ-66 ist eine schöne Geländemaschine, in vielen Punkten mit Dreiachsern aber nur bedingt vergleichbar. Zum Beispiel bei der Zugkraft ist das natürlich unsinnig, dafür wurde er auch nicht gebaut.
Der KamAZ-4310 hat im Wesentlichen, abgesehen von den konstruktiven Unterschieden (Vorderachse), das selbe Thema. Er ist bei ähnlichen Reifen und gleicher Radanzahl einfach schwerer als der Ural. Ein voller KamAZ-4310 wiegt fast 1,5 t mehr als der Ural, das sind gut 10% mehr Achslast.
Was geländetechnisch ganz interessant ist, ist beim KamAZ-4310 die Seilwinde. Der Ural-4320 hat eine Heckseilwinde, die sich auch nur nach hinten betreiben lässt. Der KamAZ-4310 hat eine Seilwinde, die sich in beide Richtungen betreiben lässt. Sie hat mehr Seil als die vom Ural (86 vs. 65 m), kann aber auch erheblich weniger ziehen (einfach 35 kN nach vorne und 50 kN nach hinten, mit Umlenkrolle entsprechend 70 und 100 kN - beim Ural dagegen je nach Baujahr etwa 80 kN einfach und 160 kN mit Umlenkrolle). Wobei es zur Selbstbergung dicke reicht und man auch erst einmal was finden muss, was 100 kN hält.
Insgesamt ist der KamAZ meiner Meinung nach für den Zweck eines Expeditionsmobils trotz allem besser geeignet, besonders wenn es um 3 oder gar 4 Personen geht. Man muss immer bedenken: Wir reden hier über Geländegängigkeit auf einem sehr hohen Niveau. Wenn es auf die Unterschiede zwischen KamAZ-4310 und Ural-4320 ankommt, ist eines viel wichtiger: Ein im konkreten Gelände wirklich erfahrener und versierter Fahrer. Denn ansonsten versenkt man beide Kisten, lange bevor die Unterschiede zum Tragen kommen. Die Technik alleine rettet einen selten. Und häufig genug traut sich der Fahrer am Ende des Liedes doch nicht durch den Fluss, obwohl der Lkw es sicher geschafft hätte. Gerade mitten im Nichts, 3 Tage von Hilfe entfernt und mit der Familie im Gepäck schrumpfen die Risiken, die man bereit ist einzugehen und auf die man sich zu Hause noch gefreut hat, deutlich zusammen.
Weiter sollte man sich tatsächlich mal eine Aufstellung (gerne als Tabelle) machen, wo man wirklich fahren will, was man alles braucht und welches Fahrzeug das besser bietet. Es gibt selbst in Sibirien nicht so viele Orte, an die etwas wie eine Straße führt und an die man mit einem KamAZ nicht hinkommt. Irgendwann hat jedes Fahrzeug Grenzen. Möchte man die Nachteile des Urals wirklich zehntausende Kilometer ermüdender Landstraßen lang in Kauf nehmen, um dann an den einen Ort zu kommen? An welchen eigentlich? Muss man wirklich mit 13 Tonnen tagelang durchs schwere Gelände pflügen, um Sibirien zu sehen? Die Menschen und die
Natur kennenzulernen? Es wird immer Stellen geben, wo Schluss ist. Es gibt in Sibirien genügend Orte, da kommt nicht mal ein Schwimmpanzer hin. Da hilft einem nur noch der Hubschrauber. Das wird man auch mit einem Ural nicht erzwingen. Will man, um diese Erkenntnis zu bekommen, tatsächlich auf den zusätzlichen Platz verzichten? Auf den größeren Koffer und die größere Kabine, in der man es auch bei Kälte und Sturm zu dritt länger als eine Stunde aushält? Auf das Mehr an Zuladung? Vielleicht braucht man dringender mal noch 500 l extra Diesel, um tatsächlich ans Ende der Welt zu kommen? 800 km realistische Reichweite auf der Straße ist bei keinem der Fahrzeuge die Wucht. Da kommt einem die Tonne mehr Zuladung schon entgegen.
Und zuletzt unterschätzt man immer wieder die Möglichkeiten der Technik, wenn jemand am Steuer sitzt, der sie zu bedienen weiß. Ich weiß noch ganz genau: Tadschikistan, Fan-Gebirge, die 7 Seen. Unser gar nicht so niedriger und mit brauchbaren Reifen ausgestatteter Sprinter mitsamt Stadt-Fahrer blieb zwischen 5. und 6. See einfach stehen. Den Hang mit dem losen Geröll wollte er ums Verrecken nicht hochfahren.

Ok, alle Mann aussteigen, zum großen Halali blasen und loswandern. Am Ende des 6. Sees stand ein voller, 30 Jahre alter 6x4 KamAZ-Baukipper. Der war da mit 30 Tonnen hochgefahren, wie auch immer er es angestellt hat. Und ganz oben am 7. See, wir glaubten schon nicht mehr, dass sich das Straße nennt, stand ein alter Astra G Caravan mit Reifen ganz ohne Profil. Man winkte uns freundlich lächelnd zu und fuhr dann wieder runter ins Dorf. Wir haben nicht schlecht geguckt.

Mit einem Ural wäre ich da ganz gewiss nicht raufgefahren. Warum? Weil mich spätestens an der verbeulten Blechbrücke zwischen 6. und 7. See der Mut verlassen hätte. Obwohl der Lkw das bestimmt kann, zur Not auch ganz ohne Brücke.
Wenn es um Vernunft und Praxistauglichkeit geht, ist die Sache meiner Meinung nach relativ klar. Aber nun, ich weiß, ich hab ja so eine Kiste im Garten stehen und das hat ja auch Gründe. (Wobei ich, fairer Weise dazugesagt, damit eigentlich nicht um die Welt fahren will.) Wenn man sich in einen Lkw verliebt hat, ist es oft hoffnungslos zu spät. Was nutzt es einem am Ende, wenn man die Karre nicht mag? Am Schluss kann man mit fast allem um die Welt fahren. Selbstverständlich auch mit einem Ural.
Experience is directly proportional to the amount of equipment ruined.
Nur wenn du schwarze Striche vom Kurvenausgang bis zum nächsten Bremspunkt ziehen kannst, hast du wirklich genug Leistung.
Je größer der Dachschaden, desto besser der Blick auf die Sterne.