#4
Beitrag
von zodiac » 2008-12-27 23:58:59
Hallo Allrad-Freunde, Hallo Rumpelstilzchen
Ich lese jetzt schon etwa ein halbes Jahr in eurem Forum (im Womobox auch) und bin immer wieder begeistert
von der Qualität dieser Foren, der Kultur die da herrscht und was einige Mitglieder im stand sind zu leisten (oder
manchmal auch alle zusammen).
Nun aber zum Thema Petrolherd. Ich habe absolut nichts mit der Firma Bertschi zu tun. Ich bin im Fahrzeugbau
tätig und habe mich über diesen Herd umfassend informiert weil wir aktuell einen solchen Herd in ein
Langzeitreisemobil einbauen. Dazu habe ich Herr Bertschi besucht um diesen Herd einmal genauer unter die
Lupe zu nehmen.
1. Dieser Herd besticht durch die Einfachheit und verspricht bei korrekter Bedienung einen einwandfreien und
sicheren Betrieb. Der Herd hat je nach Ausführung ein paar identische Petrolgasbrenner (einer Pro
Kochstelle also 2 bis 4 Stk. oben sowie 1 bis 2 Stk. unten im Backofen). Das heisst es wird Petrol unter
Druck im Brenner vergast und brennt wie eine Gasflamme. Heisst aber !! Vorheizen.
2. Vorheizen geschieht am effizientesten mit Brennsprit. 15ml von oben über jeden Brenner giessen und
anzünden, ca. 120sec. (ja 2Min.) warten und dann Brennerventil öffnen (Vorwärmflamme zündet gerade
Kochflamme. Der Brenner arbeitet ab diesem Zeitpunkt wie eine Gasflamme, ist sauber regulierbar
und hat eine Leistung die eher einem Profikochgerät als an ein Campingkocher erinnert. Der Brenner
arbeitet wie ein Primus Brenner, hat aber, und dies ist ein Qualitätsmerkmal von Bertschi, einen Brenner
ohne jegliche Lötstelle. Der Brenner arbeitet deutlich lauter als ein Gasbrenner aber auch wieder nicht so
laut wie die Brenner aus der Benzinerzunft.
3. Nochmal vorheizen. Es gibt auch eine Möglichkeit elektrisch vorzuheizen. Wir LKW-infizierten können
uns das so wie eine Vorglühkerze pro Brenner im Kochherd vorstellen (ist es tatsächlich auch). Diese Art
vorzuheizen, dauert auch 120sec. braucht auch so viel Strom wie das Vorglühen beim Dieselmotor. Den
Brenner starten muss man dann aber doch wieder mit einer Zündquelle. Weiter kann mit dem Steuergerät
nur ein Brenner um den anderen vorgewärmt werden. Das gibt dann beim Backen mit Ober- und Unterhitze
(die Oberhitze sind 2 Kochstellen, diese werden beim Backen mit einer Metallplatte verschlossen) Es
werden also bis zu 4 Brenner benötigt, dies dauert dann halt elektrisch vorgeheizt auch seine 8 min und
immer schön zur rechten Zeit anzünden sonst ist der Brenner wieder kalt.
4. Sicherheit: Wenn aus irgendeinem Grund die Flamme auslöscht (Wind, die überkochende Milch, was auch
immer) das ausströmen wird nicht unterbrochen, ist aber nicht weiter gefährlich. Mit der Zeit würde es nach
unverbranntem Petrol riechen (ist bei weitem nicht so schlimm wie unverbrannter Diesel). Wenn man nach
ca. 20sec. das ausströmende Petrolgas mit einer Zündquelle wieder anzündet brennt sie wie vorher einfach
weiter, der grosse Wums wie beim Gas bleibt aber aus (habe ich höchstpersöhnlich ausprobiert). Wenn man
länger zuwartet brennt die Flamme am Anfang etwas gelblich bevor sie wieder „Gasblau“ brennt. Dies weil
sich der Brenner schon ein wenig ausgekühlt hat und die Vergasung eben nicht mehr so ganz komplett ist.
So geschieht es auch wenn man beim Vorheizen nicht die notwendige Geduld aufbringt, Brennsprit oder
Strom sparen will.
5. Betrieb mit Diesel: Grundsätzlich geht es. Das sagt auch Heini Bertschi. Diesel hat ja einen etwas höheren
Flammpunkt, eben etwas länger vorheizen. Beim Petrolbetrieb entsteht nur Wasserdampf. Beim Betrieb mit Diesel entstehen noch Stikstoffoxide und Schwefeloxide sowohl Monoxide wie auch Dioxide. Darauf will
ich nicht weiter eingehen da ich da nicht der Spezialist bin. Die Partikel- und Feinstaubproblematik sehe ich
nicht mit der Dieselmotorischen Verbrennung vergleichbar. Der Herd wurde ursprünglich für den Betrieb
auf Schiffen aus der Taufe gehoben. Dort sind diese Problemgase die in die Bilge absinken und das Schiff
nicht verlassen können nicht tollerierbar. Im Wohnmobil kann man aber Lüften und hat eine Türe die in der Regel bis zum Boden reicht. Wir suchen also noch einen Freiwilligen, der diesen wirklich teuren Herd in
seinem lieben Wohnmobil mit Diesel betreiben will um uns über seine Erfahrungen zu berichten.
6. Erfahrungen in der Anwendung beim Kochen sind mir noch nicht aus erster Hand zugetragen worden, aber
diese werde ich in der nächsten Zeit erhalten, wir haben wirklich erst einmal probehalber ein paar Liter
Wasser erhitzt.
7. Warmwasserbereitung: Der Wärmetauscher welchen man im Backofen herunterklappen kann, ist eine feine
Sache. Man muss allerdings beachten, dass auch während dem Brotbacken beispielsweise, im Backofen
temperaturen von bis zu 240°C herrschen. Diese Temperatur ist auch der hinten stehende Wärmetauscher ausgesetzt und er wärmt das Wasser sicher auch auf 200°C. Also muss diese Wärme auch irgendwohin
abgeführt werden, also muss man auch immer Wasser im Boiler haben das aufgewärmt werden will oder
eine Kabine zu Heizen mit dem üblichen Gedönse wie Wasserpumpe einschalten die Temperatur verteilen,
ein wenig Überwachung etc. Auch beim Einbau des Herdes in die Küchenzeile sind ein paar Kleinigkeiten
zu beachten. Er wird warm, braucht für den Betrieb Sauerstoff und gibt beim Betrieb des Backofens
an der Hinterseite Wasserdampf (vom Backgut) ab. Alles ganz normale Physikalische Dinge, nichts
besonderes, aber eben auch nicht einfach ein Gasherd.
Damit will ich abschliessend sagen. Der Herd ist etwas für jene die gute Qualität haben wollen (unkaputtbar),
kein Gas in der Bude wollen, den urbanen Gedanken lieben und mit dem Herd „leben“ wollen, so in etwa wie
mit einem Holzofen in einem alten Holzhaus und dann Brot Backen mit der Temperatur die eben ungefähr im
Backofen herrscht. Mit 220°C, 22 Min in der mittleren Rille nach Betty Bossi kann dieser Herd nichts
anfangen (das Brot übrigens auch nicht). Ich würde in meinem Reisemobil (nur Hypothetisch) diesen Herd mit
Wärmetauscher aber ohne elektrische Vorwärmung verbauen (Brennsprit braucht man auch für’s
Fonduerechaud). Drucktank draussen anbauen mit Pumpe innen am Herd (geht so). Dann Dieselbetrieb
ausprobieren. Wenn schlechte Erfahrungen gemacht, alles gut reinigen und mit Petrol weiterkochen.
So, das war mein erster Beitrag in diesem Forum, sollte eigentlich nur eine kurze Stellungnahme zum Thema
Petrolkocher werden, aber wie es halt so kommt. Sorry
Gruss
Zodiac