Hatzlibutzli hat geschrieben: ↑2013-12-07 11:45:59
Da in letzter Zeit immer wieder komische Dinge hier herum geistern, fühle ich mich berufen, ein paar grundlegende Dinge nochmal zusammen zu fassen. Vor allem möchte ich mit der Vorstellung aufräumen, dass Wasser, das einmal sauber und trinkbar war, das nach langer Lagerung auch noch sein muss.
Dazu muss man zuallererst etwas über potentielle Keime im Trinkwasser wissen.
1. Zum einen gibt es
Viren, das sind eigentlich keine Lebewesen, sondern ein Stück Erbmaterial mit oder ohne Hülle. Viren können sich nur in „Wirtszellen“ vermehren, behüllte Viren sind manchmal recht schwierig „umzubringen“ und manche sind so klein, dass sie auch durch recht feine Filter flutschen können. Über das Trinkwasser können sich z.B. Noroviren (Brechdurchfall), Enteroviren (Durchfall) aber auch Hepatitis A übertragen. Virusdurchfälle machen im Schnitt 30% der Reisediarrhoen aus, sind im Verlauf aber eher milde.
2. Dann sind da die
Bakterien, unsere Hauptfeinde: das sind kleine Zellen mit einer einfachen Zellwand und unterschiedlicher Form, von denen sich die meisten ohne eine Wirtszelle, zum Teil rasend schnell durch Zellteilung vermehren können. Wie schnell sich Bakterien vermehren hängt von verschiedenen Bedingungen und der entsprechenden Art ab. Generell ist zu sagen: je wärmer, umso schneller geht’s, bis ab einer gewissen Temperatur dann die Bakterien sterben. Bakterien kann man durch gewisse Hemmstoffe (z.B. Silber oder Antibiotika) an der Vermehrung hindern, ja sogar umbringen. Unter den Bakterien gibt es harmlose Mitbewohner, wie die berühmten Escherichia coli in unserem Darm, aber manche Stämme von eben diesen E. coli sind klassischer Erreger der Reisediarrhoe, ja sogar vom HUS mit Nierenversagen. Choleravibrionen und Ruhrshigellen sind richtig bösartige Vertreter. Bakterien sind überall auf dieser Welt, manche gedeihen in 90°C heissen vulkanischen Quellen, andere gedeihen in unserem Dieseltank.
3.
Einzeller sind deutlich grösser als die bisher genannten (man bekommt sie quasi durch einen Kaffeefilter schon herausgefiltert), von Relevanz sind Lamblien und Amöben, von den letzteren gibt es viele gutartige, aber auch einen bösen Ruhrerreger.
Damit man sich alles besser vorstellen kann, nehmen wir jetzt statt Wasser Milch.
Die Fragestellung lautet: wie verhindere ich, dass mir die sauer wird (das wird sie nämlich durch harmlose Milchsäurebakterien)
Möglichkeit 1: H-Milch d.h. Sterilisiert durch Erhitzen und dann dafür gesorgt, dass von aussen nichts mehr dran kommt. Wird mit Trinkwasser in Rettungsinseln in der Seefahrt gemacht oder mit Dosenbier. Wenn ich die H-Milch aufgemacht habe, kommen aber immer auch Keime daran und dann muss ich was anderes machen:
Möglichkeit 2: Kühlen. Bei 4°C hält mir die offene H-Milch 3-4 Tage, wenn ich Glück habe sogar eine Woche, bei 35°C wenige Stunden. Nun ist sie mir aber eben umgekippt und plötzlich hält sie mir als Sauermilch auch bei normalen Temperaturen einige Tage. Warum?
Möglichkeit 3: Die entstandene Milchsäure sorgt dafür, dass sich andere Bakterien nicht wohl fühlen, da es ihnen zu sauer ist. Nach diesem Prinzip funktioniert der Welterfolg von Coca Cola: Phosphorsäure und hohe Zuckerkonzentrationen erlauben kein Bakterienwachstum. Trinkwasser kann man mit Silbernitrat oder Chlor haltbar machen.
Mit diesem Wissen zurück zum Wasser im LKW:
Im Gegensatz zur christlichen Seefahrt haben wir, vor allem wenn wir in den Tropen und Subtropen unterwegs sind, das Problem geradezu idealer Temperaturen für das Bakterienwachstum, durch das ständige Geschüttel auch noch eine ideale Durchmischung/Belüftung. In Labors werden zur Anzucht von Bakterien sogenannte Schüttelinkubatoren verwendet, darin wird die Bakterienlösung bei 37°C dauerhaft geschüttelt. Unser Tank ist eben nicht im Kiel einer Yacht und hat „Meertemperatur“.
Grundsätzlich ist es gut erst mal sauberes Wasser einzufüllen. Also ein grober Filter vor dem Tank macht Sinn. Das Wasser vor dem Tank allerdings steril machen bringt nicht viel, warum? Weil es nachverkeimt! H-Milch aus Tetrapacks in den sauberen Tank geschüttet, kippt bei 35°C, Pisten geschüttelt sehr schnell um. Wasser braucht zwar etwas länger aber es kippt eben doch irgendwann auch um. Es müssen ja nicht gleich böse Legionellen sein, aber das Wasser schmeckt wie aus einem Rucksacktrinksystem, das man nach der Bergtour im letzten Herbst nicht richtig trocken bekommen hat. Die Wände bewachsen mit einem Biofilm (den kann man auch in vergessenen Kindertrinkflaschen nach einer Woche schon beobachten ;-))), darin oft harmlose Amöben.
Wie kann man es verhindern?
1. eine UV-Lampe im Tank
2. Silberionen (z.B. Certisil ohne Chlor)
3. wiederholtes erhitzen, z.B. indem man den (Blech-)Tank ohne Hitzeschutzschild über dem Auspuffschalldämpfer anordnet. Temperaturen über 60° über einen längeren Zeitraum reichen aus.
Um das Wasser direkt aus dem Hahn zu trinken, kann man dann am Ende filtern, optimal zuerst ein Aktivkohlefilter (der holt nicht nur das Silber z.T. wieder raus, sondern auch Schwermetalle, organische Substanzen wie Hormone und „schlechten Geschmack“), dann ein Keramikfilter mit Silberbeschichtung (die verhindert, dass die Bakterien durch den Filter durchwachsen). Ein Kohlefilter muss regelmässig erneuert werden, die Keramikfilter halten recht lange.
Alle Methoden, Keime loszuwerden, haben Vor- und Nachteile:
UV-Licht:
Hauptproblem ist die fehlende Wirksamkeit bei Trübung oder zu hohen Keimlasten
Strom notwendig
Lampe evtl. nicht Pistenfest
Kontrolle ob es funktioniert?
Teuer
extrem harte UV-Strahlung/weiche Röntgenstrahlung kann auch komplexere organische Moleküle zerstören wie Hormone oder Antibiotika
Filter:
vernachlässigte Kohlefilter können zu echten Keimschleudern werden
Verstopfen
Können brechen
Niedrige Durchflussraten bei „engen“ und damit den effektivsten Keramikfiltern
teuer
Kohlefilter können diverse andere Stoffe wie Schwermetalle, Hormone usw. teilweise entfernen
Wärme:
entsteht nur beim Fahrbetrieb
Stahltank notwendig
Wärme beim Verbrauch evtl. störend
Ausfallen von Salzen („Verkalken“)
Silbernitrat:
bei 10-15 Jahren Reisedauer evtl. gewisse Anhäufung im Körper
Dosierung manchmal schwierig („wieviel Liter sind jetzt da neu rein?“)
Desinfizierende Wirkung erst nach Stunden
Zu guter Letzt ein ganz wichtiger Punkt:
Ein fest installiertes System muss
zu 100% ohne Siphons sein, sprich es muss völlig restzuentleeren sein. Das ist Grundvoraussetzung, um es - wenn es doch mal „versifft“ - wieder halbwegs zu desinfizieren und um bei längerer Standzeit das System trocken zu bekommen. Der Tank sollte eine
Revisionsöffnung haben, um mechanisch die Wand sauber zu bekommen, wenn man die Rohrleitungen mit einem Kabel und daran hängender Reinigungsbürste (gibt es im Jagdbedarf für Flinten) durchputzen kann wäre es ideal. Den Biofilm auf unseren Zähnen bekommt man auch am besten durch mechanisches Putzen ab.
Im Zweifel ist es von Vorteil, wenn man das System komplett erneuern kann, ohne die ganze Inneneinrichtung zu zerkloppen.
Die sicherste und beste Lösung würde also so aussehen:
vor dem Tank ein einfacher Filter, leicht zu wechseln/billig
Tank mit Revisionsöffnung, wenn das Wasser in der Wärme nicht binnen 1 Woche verbraucht wird kommt Silbernitrat dazu, oder man installiert eine UV-Lampe im Tank. Eine UV-Lampe erfordert einen UV-stabilen Tank (schwarzes PET oder Metall). Das weisse PET verträgt das UV-Licht nicht. (Danke Urologe!)
Vor den „Trinkwasserhahn“ ein (regelmässig gewarteter) Aktivkohlefilter und ein silberbeschichteter Keramikfilter (Ersatz, bruchsicher gelagert nicht vergessen), vor die Dusche muss bei dieser Vorgehensweise nichts.
Rohrleitungen zu Tank und Pumpe hin fallend, kurz, wenige Kurven, durchbürsten möglich
Die
Wahl der richtigen Wasserquelle ist manchmal nicht ganz einfach:
weltweit ist Grossstadtleitungswasser in der Regel recht sicher und als Basis für o.g. Anordnung geeignet, jedoch oft arg gechlort → Aktivkohle
Fluss- und Quellwasser ist geeignet, je höher und kälter die Quelle, um so besser. Wenn sich oberhalb der Entnahmestelle keine Möglichkeit menschlichen oder tierischen Keimeintrags (Sprich: da hat sich wahrscheinlich keiner drin gewaschen, reingepullert, die Nachbarwiese gedüngt o.äh.) findet, umso besser.
Reines Schmelzwasser ist mineralarm und kann „Luftverschmutzung“ (Leeseite von Schwerindustrie???) enthalten
Quellwasser ist mineralisiert und durch das Sickern durch den Boden „gefiltert“
Manche Quellen, gerade in Wüsten und Wüstenrandgebieten, können so viel Mineralien enthalten, dass das Wasser beim nicht daran gewohnten zu Durchfall z.B. durch zu hohen Magnesiumgehalt führen kann.
So, das war jetzt ein ganzer Haufen kluggeschissen ...
Grüsse ... Simon