Arbeit gekauft - oder kriegt man das mit youtube-Bildung hin?

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Bernhard G.
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Re: Arbeit gekauft - oder kriegt man das mit youtube-Bildung hin?

#31 Beitrag von Bernhard G. » 2019-07-12 22:32:54

Nachdem es jetzt endlich wieder angenehme Temperaturen hatte, konnte ich weitermachen. Zuerst hab ich passende Blechstreifen zugeschnitten. Ich hab den Rand aus vier Streifen zusammengesetzt, weil es sonst extrem schwierig gewesen wäre, die Biegungen überall an der richtige Stelle zu machen. So habe ich immer nur eine bis zwei Biegungungen pro Streifen gehabt. Die Biegungen habe ich über verschiedene zylindrische Objekte passenden Durchmessers erzeugt: alte Kochtöpfe, Blechkübel und ein Steingutsauerkrautfaß. Was ich halt so im Haus gefunden habe.

Die Blechstücke hab ich dann angepunkted:
angestueckelt2.jpg
angestueckelt1.jpg
Wie man sieht, gehen die Schweißpunkte schön durch:
einbrand_2.jpg
Ich habe durchgehend 1 bis 1,5mm Schweißspalt gelassen und so das Blech mit Gripzangen fixiert. Damit sich der Spalt aufgrund der Schrumpfung beim Schweißen nicht zuzieht, hab ich kleine Blechstreifen als Abstandshalter an mehreren Stellen reingesteckt und dann erst rundrum alle ca. 15cm einen Punkt gesetzt und dann sukzessive weitere Punkte bis ca. 2 bis 3 cm Abstand zwischen den Punkten war. Dabei habe ich darauf geachtet, daß die Bleche eben zueinander liegen und bei Bedarf mit dem Hammer und Handamboß nachgerichtet.

An einer Stelle hab ich leider schlecht angepaßt. Hier ist der Spalt viel zu groß geworden. Da muß ich beim Schweißen ordentlich was überbrücken:
spaltproblem.jpg
Anschließend habe ich die Schweißpunkte wie gehabt zurückgeschliffen und die verbleibenden Lücken von ca. 2 bis 3 cm durch kurze Stepnähte geschlossen. Es gab auch hier etwas Verzug, doch den konnte ich mit dem Hammer und Handamboß komplett ausbeulen.

Hier bin ich schon fast fertig. Und nun sieht man, daß ich hier leider einen Spalt von bis zu 3mm habe:
spaltproblem2.jpg
Ohne Schweißbadsicherung wird das sehr schwierig. Aber es gibt ja den Kupferblechtrick. Damit konnte ich diese Murksstelle beheben.
schweissbadsicherung.jpg

Bernhard G.
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Re: Arbeit gekauft - oder kriegt man das mit youtube-Bildung hin?

#32 Beitrag von Bernhard G. » 2019-07-12 22:56:32

Und nun sind alle Blechstreifen fertig eingeschweißt und die Schweißnähte verschliffen:
verschweisst_geschliffen.jpg
Ich nehme da übrigens 3M Cubitron II Schleifmittel (Fiberscheiben und Fächerscheiben 36+ für die 125er Flex zum groben runterputzen und dann 76mm Roloc-Scheiben für den Druckluft-Minischleifer zur Feinarbeit). Das Zeug ist sauteuer aber sagenhaft gut. Irre Abtragsleistung und sehr kühler Schliff.

Da die ganzen Schweißnähte verspachtelt werden müssen und auch noch ein paar weitere Unebenheiten, habe ich beschlossen, den Kotflügel außen komplett blank zu machen und mit EP-Grundierung zu grundieren. Auf die kann man nämlich spachteln. Und dann gibts auch keine Unterrostungen. Bei Unfallreparaturen wird meist aus Kostengründe der Schritt weggelassen.Und dann gibts nach ein paar Jahren Probleme. Doch da ist die Gewährleistung dann schon abgelaufen.

Also habe ich als nächsten Schritt außen den alten Lack abgebeitzt. Ging erstaunlich gut. Normalerweise ist steinalter Kunstharzlack die reinste Pest. Außen hatte der Kotflügel nur wenig Rost - das lies sich mit dem Negerkeks blank machen.
blank.jpg
Und dann hab ich mit Mipa 2K-EP-Grundierung grundiert, außern kompett (außer an den Kanten) und innen den Bereich um die neu eingeschweißten Bleche.
grundiert.jpg
grundiert2.jpg
Nach dem Grundieren, vorallem als die Grundierung noch naß war, sind mir noch einige sehr unebene Stellen aufgefallen, die man vorher gar nicht so gesehen hat. Da muß ich nochmal mit dem Ausbeulwerkzeug ran. Teilweise sind die Stellen aber wohl schon ab Werk drin - sonderlich sauber wurde er Kotflügel nicht gefertigt.

Nächster Schritt wird jetzt sein, den Trägerrahmen wieder einzusetzten und dann will ich den Kotflügel innen und an den Kanten noch sandstrahlen lassen.

Bernhard G.
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Re: Arbeit gekauft - oder kriegt man das mit youtube-Bildung hin?

#33 Beitrag von Bernhard G. » 2019-07-14 22:38:12

So, weiter gings an dem verregneten Wochenende.

Jetzt hab ich mich dem Halterahmen gewidmet. Dieser war ja an der Seite mit derr er im Kotflügen am Blech angeschweißt war, stark korrodiert. Die anderen Seiten gingen. Daher habe ich ihn an einer Seite sandgestrahlt - dank der kleinen Oberfläche ging das mit meiner kleinen Sandstrahlpistole in ca. 20 Minuten über die Bühne. Anschließen hab ich ihn mit EP-Grundierung gestrichen. Sieht nicht schön aus, ist aber kein Sichtteil.
halterahmen_gestrichen.jpg
An dem Rahmen war eine Blechplatte angeschweißt, mit der der Kotflügel vorne an der Stoßstange über zwei Gummimetalllage verschraubt wird. Von dieser Blechplatte war nicht mehr viel da. Hier das Bild vor der Reparatur:
blechplatte_weggerosted.jpg
Auch der Rahmen war im Bereich der Schweißnaht dünngerostet. Daher hab ich ein Stück rausgeschnitten und da sollt die neue Blechplatte eingesetzt werden:
ausschnitt_im_halterahmen.jpg
Dieser Plan hatte zur Folge, daß ich für die Blechplatte ein stärkeres Material (3mm St 37 - wie der Trägerrahmen) als das Orginal (da war nur 2mm) gewählt habe. Problem war dann die Abkantung, da 3mm St37 auf einer Länge von ca. 400mm schon eine Ansage für das Abkanten mit dem Hammer sind. Also hab ich bei einer Schlosserei gefragt, was das Abkanten kosten würde. Da mir der Preis nicht gefallen hat, habe ich es dann doch selber gemacht. Dazu gibts hier im Forum einen Thread, in dem sich die hier anwesenden Handwerker tierisch über meine Sichtweise aufgeregt haben. Jetzt wißt ihr endlich wofür die Platte des Anstoßes gut ist:
blechplatte.jpg
Und hier ist sie nun in den Rahmen eingeschweißt:
blechplatte_angeschweisst.jpg
Es war etwas tricky, die Platte so auszurichten, daß sie genau im richtigen Winkel steht und der Rahmen in den Kotflügel wieder reinpaßt. Es ist mir aber ganz gut gelungen:
halterahmen_anpassprobe.jpg
Wie ihr seht, nähere ich mich der Zielgeraden. Jetzt muß ich noch ein paar (viele) Löcher bohren, um den Rahmen einschweißen zu können. Die werksseitigen Widerstandspunktschweißstellen sieht man noch am Trägerrahmen - daran kann ich mich orientieren. Das waren ca. 40 Stück.

Bernhard G.
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Re: Arbeit gekauft - oder kriegt man das mit youtube-Bildung hin?

#34 Beitrag von Bernhard G. » 2019-07-21 23:22:06

So, weiter gings. Jetzt sollte der Trägerrahmen wieder eingeschweißt werden. Orginal war der Widerstandspunkt-geschweißt. Die Alternative mit MAG ist Lochpunktschweißen.

Das Problem bei der ganzen Geschichte ist, daß man hier Materialdopplungen hat und damit einen potentiellen Rostherd, da zumindest der Bereich der Schweißpunkte frei von normaler Grundierung und Lack sein muß. Es gibt Schweißprimer, die man hier verwenden kann. Die verbrennen natürlich auch, aber stören den Schweißprozeß nicht über Gebühr. Es gibt Produkte, die explizit als Schweißprimer verkauft werden oder Grundierungen, die als solche zugelassen sind. Ich hab den Mipa Rapidprimer verwendet. Das ist eine 1K-Grundierung, die als Schweißprimer zugelassen ist.
schweissprimer.jpg
Zunächst habe ich ein paar Testschweißungen an vergleichbarem Material gemacht (1,5mm Blech auf 3mm Flachstahl aufgeschweißt), um die richtigen Einstellungen zu finden und den Schweißprimer zu testen. Der Lichtbogen hat nicht ganz so gut gezündet wie auf blankem Stahl und das Schweißbad war sehr unruhig, aber die Schweißpunkte waren ok. Bei einem Schweißpunkt habe ich das Blech mit dem Karosseriemeißel abgeschlagen und geschaut, wie weit der Schweißprimer wegbrennt. Hier sieht man das Ergebnis:
schweisspunkt.jpg
Es ist ein kleiner Ring um den Schweißpunkt, der verbrennt. Perfekt ist das nicht, aber in jedem Fall besser, als nichts zu machen.

Nun hab ich den Trägerrahmen mit Gripzangen und Schraubzwingen im Kotflügel fixiert und jetzt kanns losgehen:
halterahmen_positioniert.jpg
Im Bereich der Löcher habe ich die EP-Grundierung weggeschliffen - die würde beim Verbrennen das Schweißergebnis beeinträchtigen. Ich habe mich von der Mitte aus nach beiden Seiten abwechselnd zu den Enden hin vorgearbeitet. Auf dem Bild sieht man die zum Schweißen vorbereiteten Löcher. Das Rötliche ist der Schweißprimer auf dem Trägerrahmen.
lochpunktschweißen.jpg
Zuletzt geändert von Bernhard G. am 2019-07-22 7:51:43, insgesamt 1-mal geändert.

Bernhard G.
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Re: Arbeit gekauft - oder kriegt man das mit youtube-Bildung hin?

#35 Beitrag von Bernhard G. » 2019-07-21 23:42:30

Die meisten der ca. 40 Schweißpunkte sind gut geworden:
schweisspunkte_gut.jpg
Bei einigen wenigen hat was gestört:
schweisspunkt_schlecht.jpg
Der Trägerrahmen war ja stark angerostet. Eventuell hat das Sandstrahlen nicht überall allen Rost beseitigt.

Auch das Röhrchen für das Blinkerkabel hab ich wieder eingeschweißt:
leitung_eingeschweisst.jpg
Man sieht auf dem Bild auch, daß die Schweißpunkte durchgehen. Das hält bombenfest.

Die Schweißpunkte habe ich übrigens mit 180A und 0,5 Sekunden Dauer gemacht. Kurz und mit viel Power. Sowas in der Art empfiehlt auch das Merkblatt des DVS zum Thema Lochpunktschweißen von tragenden Karosserieteilen - wobei ich aufgrund der größerem Materialstärke (1,5mm mit 3mm verbinden) mit höheren Strömen gearbeited habe.

Und zum Schluß kommt noch meine ungeliebteste Disziplin: verschleifen. Ich hab da immer Schiss, was zu ruinieren - ging aber gut:
schweisspunkte_verschliffen.jpg

Bernhard G.
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Re: Arbeit gekauft - oder kriegt man das mit youtube-Bildung hin?

#36 Beitrag von Bernhard G. » 2019-07-22 0:01:38

Anschließend hab ich den Kotflügel zum Sandstrahlen gebracht. Der Chef meinte, daß es bei der Materialstärke und wegen dem eingeschweißten Trägerrahmen keine Probleme mit Verzug geben wird. Sie würden ohnehin mit recht feinem Material strahlen. Ich hab meinen Kotflügel dann rostfrei heile wiederbekommen. Hier liegt er zum Lackieren der Innenseite bereit:
sandgestrahlt.jpg
Grundiert im 2K EP-Grundierung und mit 2K-Chassislack in RAL 9005 lackiert:
innen_lackiert.jpg
Jetzt muß natürlich außen noch gespachtelt werden. Doch das mach ich irgendwann im Herbst, wenn es kühl ist und der Spachtel nicht ganz so schnell anzieht. Ich bin nicht so der Spachtelmeister und bei den aktuellen Temperaturen geht mir das einfach zu schnell.

Achja: mich würde interessieren, was Ihr denkt, was das Sandstrahlen nach Eurer Erfahrung gekostet haben sollte. Gestrahlt wurde nur die Innenseite und die Kanten. Was die verwendet haben, weiß ich nicht. Sah aus wie feiner Quarzsand (war es aber sicher nicht, weil verboten). Das Ergebnis war jedenfalls sehr gut.

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Re: Arbeit gekauft - oder kriegt man das mit youtube-Bildung hin?

#37 Beitrag von hesima » 2019-07-22 15:56:22

Hallo Bernhard, macht man das so, Spachteln nach dem Lackieren? Und dann noch mal Lackieren?
Gruß Marco

Bernhard G.
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Re: Arbeit gekauft - oder kriegt man das mit youtube-Bildung hin?

#38 Beitrag von Bernhard G. » 2019-07-22 19:00:26

Gespachtelt wird natürlich nur außen. Dort ist alles nur mit EP-Grundierung grundiert. EP-Grundierung bietet den besten Korrosionsschutz und ist für sich dicht, d.h. man kann die Teile auch lange rumliegen lassen, ohne das was rostet. Andere Grundierungen müssen bald überlackiert werden.

Man kann entweder auf blankes Blech oder auf 2K-EP-Grundierung spachteln. Alles andere gibt u.U. Haftungsprobleme.

Also, die Profi-Lackierer spachteln direkt aufs blanke Blech. Da gehts ums Geld. Und dann gibt es irgendwann Probleme mit Unterrostungen, da Spachtel porös ist und Wasser aufsaugt.

Bei Oldtimerrestaurationen sollte man sowas nicht machen, sondern so vorgehen: zuerst mit EP-Grundierung grundieren, dann spachteln und schleifen, dann die blank geschliffenen Stellen nochmals grundieren (man kann auch nochmals komplett mit EP-Grundierung drüber gehen), dann Filler spritzen, diesen schleifen und dann Decklack drauf.

hesima
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Re: Arbeit gekauft - oder kriegt man das mit youtube-Bildung hin?

#39 Beitrag von hesima » 2019-07-22 20:02:00

Hallo Bernhard, vielen Dank für die ausführliche Antwort!
Gruß Marco

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