Warum Verbot von Löchern im Ober- und Untergurt?

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burkhard
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Warum Verbot von Löchern im Ober- und Untergurt?

#1 Beitrag von burkhard » 2018-11-27 16:36:27

Anlässlich dieses Beitrages viewtopic.php?f=6&t=83901 und diverser anderer Beiträge frage ich mich, was es mit dem Verbot von Löchern im Rahmengurt tatsächlich auf sich hat?

Meist wird auf die Aufbaurichtlnien verwiesen und mit irgendwelchen Kräften, Spannungen und Rissbildungen die von den Löchern ausgehen argumentiert.

Alles schön und gut und auch nachvollziehbar. Aber, all das trifft auf den Rahmensteg ebenso zu. Im den Steg werden jedes Menge Krafte eingeleitet. Verwindungen usw. führen zwangsläufig zu erheblichen Spannungen im Rahmensteg.

Eigentlich ist der Steg das tragende Element des Rahmens. Um beispielsweise aus einem 9 Tonnen Fahrgestell ein 12 Tonnen Fahrgestell zu machen wird der Steg erhöht und nicht der Gurt verbreitert.

Offensichtlich sind im Rahmensteg jede Menge Löcher vorhanden und es ist unter Beachtung gewisser Regeln (Durchmesser, Abstand zu anderen Löchern, Abstand zur Kante) erlaubt, zusätzliche Löcher anzubringen.

Was also ist das besondere am Ober- und Untergurt? Wodurch unterscheiden sich die Kräfte und Spannungen im Gurt von denen im Steg?

Die Hersteller haben sich das Verbot von Löchern sicherlich nicht aus den Fingern gesaugt und auch nicht aufgrund von rein theoretischen Überlegungen ausgesprochen. Ich denke das ganz konkrete Schadensfälle aus der Praxis zu dem Verbot geführt haben. Irgendwie scheint das alles schon so lange her zu sein, das die Schaden-Szenarien nicht mehr überliefert sind.

Das einzige was mir dazu einfällt ist, dass, falls man die Regeln für das Anbringen neuer Löcher auf den Rahmengurt anwenden würde, die Regel "Mindestabstand zur Kante 45 mm" nicht eingehalten werden könnte.

Die Biegekante ist eh schon durch die Abkantung geschwächt, daher der Mindestabstand und das erhöhte Risiko der Rissbildung, falls man neue Löcher zu nah an der Kante platziert.

Viele Grüße
Burkhard

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Ulf H
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Re: Warum Verbot von Löchern im Ober- und Untergurt?

#2 Beitrag von Ulf H » 2018-11-27 16:42:44

... der Steg trägt nicht, sondern hält nur die Gurte auf Abstand ...

Gruss Ulf
Ein Problem, welches mit Bordmitteln zu beheben ist, ist keines !!!

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burkhard
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Re: Warum Verbot von Löchern im Ober- und Untergurt?

#3 Beitrag von burkhard » 2018-11-27 16:44:59

Und warum macht man den Abstand dann größer, um mehr Tonnage zu erhalten?

OliverM
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Re: Warum Verbot von Löchern im Ober- und Untergurt?

#4 Beitrag von OliverM » 2018-11-27 16:49:15

burkhard hat geschrieben:
2018-11-27 16:44:59
Und warum macht man den Abstand dann größer, um mehr Tonnage zu erhalten?

Damit der Abstand Obergurt zu Untergurt größer wird . Je größer der Abstand wird, desto tragfähiger/belastbarer wird die Konstruktion .

Gruß

Oliver
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Re: Warum Verbot von Löchern im Ober- und Untergurt?

#5 Beitrag von Weickenm » 2018-11-27 16:51:06

Moin Burkhard,

Weil Steifigkeit =E*I ist und die Höhe im I mit der dritten Potenz eingeht

Beste Grüße
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Re: Warum Verbot von Löchern im Ober- und Untergurt?

#6 Beitrag von sico » 2018-11-27 16:55:31

hallo Burkhard,
um deine Fragen zu beantworten, dazu braucht es mindestens eine Grundvorlesung in Technischer Mechanik und Festigkeitsrechnung.
Da kommen die Stichworte Widerstandsmoment, Flächenträgheitsmoment, Neutrale Faser, Abstand von der Neutralen Faser, Spannungen, statische und dynamische Lasten, Kerbwirkung, Lastspielzahl, Wöhlerkurven, Lastkollektive und noch viele weitere Begriffe ins Spiel.
Das kann man hier im Forum nicht auf die Schnelle erklären.
Mit deinen Überlegungen liegst du jedenfalls gehörig daneben.
Das ist zunächst viel Theorie. Wenn man als Konstrukteur allerdings sein Handwerkszeug nicht beherrscht und diese Theorien mißachtet, dann kommt es im praktischen Einsatz bei den betroffenen Bauteilen über kurz oder lang zu Rissen. Ist nur eine Frage des Spannungsniveaus und der Lastspielzahl.
mfg
Sico

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FamilieJacobs
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Re: Warum Verbot von Löchern im Ober- und Untergurt?

#7 Beitrag von FamilieJacobs » 2018-11-27 17:01:42

Ulf H hat geschrieben:
2018-11-27 16:42:44
... der Steg trägt nicht, sondern hält nur die Gurte auf Abstand ...

Gruss Ulf
Das versteh ich jetzt nicht so recht. Der Steg trägt nicht??? Der Steg ist doch an dem C Profil das biegesteife Teil in Längsrichtung. Ergo umso höher der Steg, umso mehr Last kann das Profil in Längsrichtung aufnehmen.
Die Gurte gewährleisten doch bei einem Leiterrahmen die Flexibiltät beim Verschränken.
Ich verstehe das so, das beim Verwinden des Rahmens Kräfte auf den Gurten liegen, Zug oder Druck. Auf dem Steg nicht so sehr, der Steg an sich ware ja recht weich ohne die Gurte, was die Verwindung betrifft, aber eben sehr steif auf die Lange gesehen, relativ zur Höhe.
Da aber eben aber bei Verwindung sehr viel Kraft auf den Gurten liegt, leuchtet es mir ein, das dort keine Löcher sein sollten, weil von den Löchern sehr leicht Risse ausgehen könnten.
Also ich interpretiere das so, durch das C Profil ist der Rahmen in der Lange sehr steif, aber sehr verwindungsfreudig. Das ist aber nur mein Gedankengang, ohne irgendwelches Hintergrundwissen:-)
Gruß CJ
Es grüßen Nicole, Ludwig, Ida, Freddy und Christian.

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Re: Warum Verbot von Löchern im Ober- und Untergurt?

#8 Beitrag von moje 57 » 2018-11-27 17:15:28

Hallo,

eine direkte Antwort kann ich Dir nicht geben. Aaaber beim 90-16 AW sind mindestens 2 Bohrungen (d=12mm) re+li im Untergurt serienmäßig vorhanden. Die Bohrungen befinden sich hinter der HA, etwa mittig zwischen HA und hinterem Federbock beidseitig kongruent. Für irgend etwas müssen die ja vorgesehen sein, wenn ich bedenke das dieser Rahmen auch in anderen Serienfahrzeugen steckt.

Gruß,
Moje57

„Jeder soll nach seiner Façon selig werden.“ FR / F II

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Re: Warum Verbot von Löchern im Ober- und Untergurt?

#9 Beitrag von Ingenieur » 2018-11-27 17:43:12

Hallo,

unter dem Begriff 'Festigkeitslehre' findet man die Antworten (auch im WWW).

Im Steg können deswegen viele Löcher untergebracht werden, weil man dort nur einen Bruchteil der Materialdicke
der Flansche braucht. Man könnte also auch nach dem Kanten den Steg dünner fräsen.

Bohren und Schweißen im Kaltverformten Bereich sind unzulässig,
weil dort durch die Verformung eine Materialaufhärtung entstanden ist.

'Unendlich' hoch kann man den Steg nicht machen, weil er sonst 'Beult'.

C-Profile sind 'verwindungsweich'.
Beim Verdrillen eines C-Profils muß der Schubfluß außen auf der Oberfläche rings rum.
Der Weg der Torsionskraft ist erheblich länger, als bei Kastenprofilen.
Daher sind Kastenprofile (MAN-KAT) verwindungsarm.

Löcher im Flansch sind (bei C-Profilen) erlaubt:
- Hinter der Hinterachsaufnahme
- Vor der Vorderachsaufnahme
- In Sonderfällen zwischen den beiden Aufnahmen einer Achse

Verboten sind Löcher zwischen der hinteren Aufnahme der VA und der vorderen Aufnahme der HA.
Wenn dort jemand gebohrt hat, ist zu Sanieren wie bei Rahmenverlängerungen.
Rahmenverlängerungen siehe Aufbaurichtlinien der Hersteller.
Wenn jemand 'vom Fach' ist gibt es Sonderlösungen solche Schäden zu Reparieren.

Alles o.g. gilt für den 'gutmütigen' S355 (St-52).
Die heutigen Rahmen der LKW sind aus Feinkornstahl.
Da gibt es dann noch jede Menge andere Dinge zu beachten.


...
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Alexander
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Re: Warum Verbot von Löchern im Ober- und Untergurt?

#10 Beitrag von Alexander » 2018-11-27 17:52:25

mal etwas weniger wissenschaftlich

Nimm ein Brett lege es flach hin und halte es auf der einen Seite fest.
Biege es auf der anderen Seite nach unten.
Es leuchtet ein, dass die obere Seite des Brettes gestreckt wird, die unter Seite gestaucht.
In der Mitte des Brettes gibt es dann eine Schicht, die weder gestreckt noch gestaucht wird - die neutrale Faser.

Jetzt mache das gleiche aber mit hochkant gestelltem Brett. Wie jeder weiß lässt es sich schwerer biegen, die Zug- und Druckfaser ist wesentlich weiter weg von der neutralen Faser.

Jetzt kannst Du in die Mitte des hochkant gestellten Brettes Löcher bohren, das Brett lässt sich immer noch genauso schwer biegen.

Jetzt lege das Brett wieder flach, biege es und schau mal wo es bricht.

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Ulf H
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Re: Warum Verbot von Löchern im Ober- und Untergurt?

#11 Beitrag von Ulf H » 2018-11-27 18:57:31

... hier ein Beispiel in Holz, bei dem man wunderbar sieht, wo es Material braucht ... https://www.google.de/search?q=stegträg ... 23cChId0ZM ...

Gruss Ulf
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Willipinz
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Re: Warum Verbot von Löchern im Ober- und Untergurt?

#12 Beitrag von Willipinz » 2018-11-27 20:45:28

Lieber Burkhard,
danke für die Frage, in meinem Kopf schwirrte die auch immer umher, weil ich genau Deinen Gedankengang ebenfalls hatte.
Und Danke an alle anderen für die Erklärungen, ich glaube bei mir hat's geholfen
Grüße, Martin

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brezzi
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Re: Warum Verbot von Löchern im Ober- und Untergurt?

#13 Beitrag von brezzi » 2018-11-27 23:38:18

sico hat geschrieben:
2018-11-27 16:55:31
Da kommen die Stichworte Widerstandsmoment, Flächenträgheitsmoment, Neutrale Faser, Abstand von der Neutralen Faser, Spannungen, statische und dynamische Lasten, Kerbwirkung, Lastspielzahl, Wöhlerkurven, Lastkollektive und noch viele weitere Begriffe ins Spiel.
Da hast du recht jedoch kann man mit ein paar Formeln schon ein wenig Licht ins dunkel bringen
Flächenträgheitsmoment für des C ist:
C-profil.png
Das entscheidende in unserem Fall is Iy denn um diese Achse biegen wir das Profil.
biegung.png
die Durchbiegung f wird weniger je größer I ist, die Spannungen kleiner

mfg

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