Hallo Ihr,
die Betrachtung ist interessant.
Das ein Wastegate einen Unterschied macht, ist nicht plausibel: Das Wastegate wird über eine Druckdose gesteuert welche gegen eine Feder arbeitet und so das Gate bei z.B. 0,5Bar
Überdruck öffnet. Daher öffnet das Wastegate bei geringerer Luftdichte entsprechend früher. Das ist auch ganz gut so, seine Aufgabe ist es ja unter anderem den Turbo vor dem Drehzahltod zu schützen. Und die würde es nicht erfüllen, wenn es statt einem relativen Druck einen absoluten Druck messen würde.
Das selbe gilt für die Regelung der Einspritzpumpe: Auch hier misst eine Druckdose gegen eine Feder den Unterschied zum
Umgebungsdruck. Ich vermag an einem Tubomotor kein System zu finden, dass einen absoluten Druck messen kann. *1) Da keins der Regelsystem in der Lage ist, den geringeren Umgebungsdruck überhaupt zu bemerken, ist es ganz sicher nicht in der Lage diesen auszugleichen. Schlimmer noch:
Wenn man auf ein Verdichterkennfeld eines Tubos schaut, dann ist dort das Druckverhältnis gegen den Massenstrom aufgetragen. Wenn man bei konstantem Massestrom (= Motorleistung) ein höheres Druckverhältnis haben möchte, um den Druckverlust der Höhe auszugleichen, so gelangt man an eine Linie für eine höhere Turbinendrehzahl, also mehr Turbinenleistung.
Kann man die bekommen? Ein Blick ins Turbinenkennfeld: Jau, konstanter Turbeindurchsatz und größeres Druckverhältnis (hier sorgt der geringere Ausßendruck ja für ein günstigeres Druckverhältnis) bedeutet eine höhere Turbindendrehzahl, also mehr Leistung.
Das würde sich zu 100% ausgleichen und man spürt mit Turbo nichts von der Höhe, wenn da nicht das Problem mit dem Wirkungsgrad wäre: Die Abgasturbine hat einen Wirkungsgrad zwischen 50% und 70%. Das ganze kann man dann mit dem ähnlichen Wirkungsgrad des Verdichters multiplizieren: Also 25% bis 50% des fehlenden Luftdrucks wird vom Turbolader durch höhere Drehzahl ganz automatisch wieder ausgeglichen. Tendenziell steigt der Wirkungsgrad des Turbos mit der aktuellen Leistung des Motors.
Dabei noch ein paar Anmerkungen:
- Die Drehzahl des Laders steigt an. Und zwar im Maße des Turbinenwirkungsgrades. Also um 50-70% des Druckverhältnisses. Gerade bei nur leicht aufgeladenen Motoren kann sich das Druckverhältnis in großer Höhe deutlich ändern. Ob der Turbo dann noch die höhere Drehzahl verträgt kann knapp werden. Öldruck und Ölqualität und Temperatur im Auge behalten.
- Hat man ein Wastegate, dann stellt das Wastegate ein konstantes maximales Druckverhältnis ein. Damit fällt der Ladedruck linear mit der Höhe und man hat den selben Leistungsverlust, wie beim Sauger. Man kann am Wastegate herumschrauben, um einen höheren Ladedruck zu bekommen. Aber eventuell dient das Wastegate in erster Linie dazu, einen kleinen Turbo vor dem Drehzahltod zu schützen...
- Eine ladedruckabhängige Regelung der Einspritzmenge regelt in Abhängigkeit des relativen Druckunterschiedes und spritzt daher mit zunehmender Höhe zu viel ein. Das heißt, man muss auf die schwarze Rußwolke und den miserablen Wirkungsgrad des Saugmotors nicht verzichten. Selbst dann nicht, wenn der Turbo nicht vom Wastegate begrenzt wird und ein höheres Druckverhältnis erzeugt.
- Nicht unerheblich: Der Motor benötigt mit linear steigender Leistung linear mehr Luft. Ein Turbo liefert aber "überlinear" mehr Luft mit linear steigendem Massestrom. Da diese Dinge also theoretisch überhaupt nicht zu einander passen, passen sie auch praktisch nicht. Und da der Turbolader gegenüber dem Motor das billigere Bauteil ist, ist dieser meist so ausgelegt, dass er bei hoher Leistung zu viel Luft liefert um bei mittlerer Leistung genug Luft für ordentlich Drehmoment zu bringen.
Dieses "zu viel" an Luft bei hohen Drehzahlen kommt zu den 25%-50% des "Selbstausgleichens" des Turbos hinzu. Und zusammen kann der Turbo dann bei geringerem Umgebungsdruck dem Sauger durchaus deutlich überlegen machen.
Fazit:
1. Es gibt einen "Selbstausgleich" der Höhe um ca. 25%-50%, im groben abhängig von der gerade gefahrenen Tubodrehzahl (~Motorleistung~Motordrehzahl). 25% "Selbstausgleich" bei Mittlerer Leistung sind selbst in 5000m Höhe nur 1/8 weniger Verlust von der Gesamtleistung, das muss nicht unbedingt spürbar sein.
2. Turbomotoren haben oft bei höherer Leistung zu viel Ladedruck. Diesen kann man in großer Höhe gut gebrauchen, er addiert sich zum "Selbstausgleich". Dann wird der Vorteil zum Sauger deutlicher.
3. Dieser zusätzliche Ladedruck erfordert höhere Turboleistung und höhere Turbodrehzahl: Wenn der Turbo eh geplant hatte, kaputt zu gehen, dann wird es es dann auch tun. Man bedenke auch, das die Motorkühlung im gleichem Maße die Leistung verliert, wie der Motor. Volle Leistung bei halber Kühlung kann gut klappen, weil es in solch großen Höhen selten sehr warm ist, muss es aber nicht.
4. Ein Wastegate macht beide Vorteile zunichte: Das konstant geregelte Druckverhältnis verschafft dem Turbomotor den selben Leistungsverlust, wie dem Sauger. Aber: Es sinkt auch die Belastung des Motors wie beim Sauger, auch der Turbo dreht dann niedriger als auf Meerespiegelniveau, weil bei konstantem Druckverhältnis die Leistung und damit der Massenstrom sinkt.
5. Eine Ladedruckabhängige Regelung ist auch Kontraproduktiv: Sie erkennt ein höheres Druchverhältnis und erhöht die Einspritzmenge, obwohl die Sauerstoffmenge im Motor abnimmt (25%-50% sind weniger als 100%). Schöner schwarzer Rauch bei unterirdischem Wirkungsgrad sind einem mit einer solchen Regelung garantiert.
Wer eine tägliche Busslinie Naga-Prabat <-> Karachi einrichten möchte, der sollte eine Wastegate-Turbo hernehmen, diesen für das Druckverhältnis bei 5000m Drehzahlfest auslegen, und sich dann eine Regelung für Wastegate und Einspritzmenge einfallen lassen, die den Absoluten Ladedruck konstant hält. Also irgendwie ein Barometer an den Turbo schrauben...

Und natürlich einen zweiten Satz Kühler einbauen...
Oder man fährt einfach langsam und qualmend.
Gute Nacht,
Felix
P.S:"stöchiometrisch", wofür es nicht so alles Worte gibt.
*1) Meine Aussage gilt nicht für elektronische Ladedruckregelungen. Hier können die abstrusesten Sensoren an die schwarze Kiste mit den vielen Kabeln angeschlossen sein. Schon bei der Alpenüberquerung würde ein konstanter absoluter Ladedruck Sprit einsparen, warum also kein elektronisches Barometer? Aber das sind nur Vermutungen, genaues weiß ich nicht.