ingolf hat geschrieben: ↑2021-06-09 12:22:48
Abgesehen davon finde ich den Aufenthalt in Regionen, die dem Besucher ganz klar mitteilen, dass sie ihn nur zu Kassenzeiten da haben wollen, ... aber da soll jeder machen was er will.
Letzten Endes wird es aber auf solche Sachen rauslaufen. Im Moment herrscht eine asymmetrische Situation: die Masse der Camper ist dank Smartphones, Navi und diverser Empfehlungs-Apps hervorragend organisiert und navigiert auch ohne jegliche Ortskenntnis auch den letzten "Traumort" zielsicher an. Der Vanlife-Hype und allgemein die in Social Media vorgelebten Reiseziele erhöhen weiter den Druck, die Lockdown-Erfahrungen in der Pandemie haben bei fast allen einen starken "ich muss hier raus!" -Reflex ausgelöst.
Die Locations, die als Ziele in Frage kommen, stehen diesem Phänomen schutzlos gegenüber und werden stellenweise regelrecht überrollt. Es herrscht Waffenungleicheit. Die Camper sind über Social Media und Apps vernetzt und erhalten automatisiert Stellplatzempfehlungen und können sich bequem direkt hinführen lassen. Sind die Camper erst mal da und wird es dunkel, steigt die Bereitschaft, sich über Verbote hinwegzusetzen, abends um zehn hat keiner mehr Lust, nochmal loszufahren und sich provisorisch in ein Gewerbegebiet zu stellen.
Es widerstrebt dem Free Living Protagonisten natürlich, seine Schlafplätze vorab buchen zu müssen, aber eine Kontingentierung könnte den Druck von Hotspots nehmen. Auf ehemals überlaufenen Trails in Neuseeland afaik auch im Grand Canyon braucht man mittlerweile ein vorab gebuchtes Ticket, sonst kann man gleich wieder umdrehen.
Man müsste auch was pfiffiges finden, um den abendlichen Schlafplatzsuchverkehr einzudämmen, also eine Art Park4Night-App, die belegte Plätze dynamisch gar nicht mehr anbietet und illegale Plätze von der Liste nimmt (da wären die App-Anbieter in der Pflicht).
Ich weiss nicht, ob einfach nur mehr legale und preiswerte WoMo-Stellplätze im Grünen das Problem lösen können, schätze mal, das ist wie beim Ausbau von Autobahnen von zwei auf drei Spuren: vorübergehend ist es eine Entlastung, dann spricht sich die entspannte Situation herum und ratzfatz hat man mindestens genausoviel Andrang wie vor dem Ausbau. Man müsste auch schauen, wieviel WoMo-Last verträgt ein Standort: x Stellplätze pro Quadratkilometer Natur oder pro Kilometer Uferlinie. Ich halte ehrlich gesagt auch nichts davon, weitere Flächen im Außenbereich (aka Natur) in Stellplatzinfrastruktur zu verwandeln. Wie sagte Wolfgang Schäuble mal "Irgendwann isch over."
Spannend finde ich eher Ansätze wie in Schottland mit Pubs auf dem Land, die nebenan WoMo-Stellplätze anbieten oder die Agricamping-Möglichkeiten (Agroturismo) auf Sardinien. Wenn ich hier im Süden übes Land fahre, dann gibt es dort viele ehemals stolze Landgasthöfe mit riesigen Busparkplätzen, auf denen früher mal die Reisegesellschaften ihre Zwischenstopps einlegten, die Teerwüsten könnte man zurückbauen und hier wäre vielfach Potenzial für WoMofreundliche Stellplätze.
Es gibt genügend Gewerbebrachen, Landgasthöfe, Bauernhöfe, die am Übergang von einer Siedlung in die Natur stehen und vergammeln, hier könnte man überall Stellplätze "flächenneutral" einrichten, ohne Natur zu verbrauchen.
Das Problem ist dann aber wieder der einzelne Camper, der sein (angebliches) Grundrecht einfordert, sich überall, nach Möglichkeit kostenlos, dort hin stellen zu dürfen, wo es ihm nicht ausdrücklich verboten ist und wo keine Barrikaden ihm den Weg versperren.
Grüsse
Tom