Abend Vulkantouristen
Als ein solcher möchte ich mich outen. Ich war neben einigen anderen auch 1999 am Villarica, 2010 am Eyjafjallajökull und 2014 am Bardarbunga.
So ganz kann ich aber den "Katastrophentouristen" nicht ganz stehen lassen, denn als ein solcher sehe ich mich auch nicht.
In meiner Welt sind das Leute, die sich für das Leid oder die Missgeschicke von anderen Menschen interessieren, sich damit unterhalten und sich dann angesichts der eigenen relativ vorteilhaften Situation besser fühlen.
Sowas ist mir völlig fremd.
Mir geht es einzig und alleine um das Erlebnis der Naturgewalt. Das ist in der Tat sehr faszinierend, hoch emotional und maximal spektakulär.
Zugegeben leidet angesichts dieser Möglichkeit, derartige Dinge erleben zu können, auch etwas die Reflektiertheit. Das kann schon mal zu rauschartigen Zuständen führen, in denen man unter Umständen Dinge tut, die sich jenseits der Vernunftsgrenze befinden. Sicher, eine entsprechende Moralpredigt mag hier und da angemessen sein. Unverzeihlich bleibt die Gefährdung dritter.
Aber ihr würdet es nicht glauben, wen ich an solchen Orten schon gesehen habe und wer sich da ebenfalls höchst illegal bewegt hat. Da waren ganz bekannte Literaten zugegen, die sogar in ihren Büchern vehement Besonnenheit und Vernunft predigen und sich im Netz auch mal über Dilettantentouristen auslassen.
Am Villarica habe wir uns damals in der Nacht an dem Wachtposten vorbeigeschlichen. Wir waren zu Fuß unterwegs, jung und mittellos. Die Kerle waren betrunken und wollten am Tage zuvor einfach zu viel Geld. Der orangefarbene Feuerschein des Kraters, der sich nachts in den Wolken spiegelte zog uns in seinen Bann. Wir bestiegen noch in der Nacht den Berg und erreichten am Vormittag den Gipfel. Dafür stiegen wir noch um den Kegel herum, um nicht vom Tal aus gesehen zu werden. Die Hölle am Gipfel war spektakulär. Alle paar Minuten gab es eine Explosion, die mehrere glühende Brocken bis 1 m Durchmesser etwa 50 m über den Kraterrand schoss. Zum Glück erfolgte der Ausstoß meist vollkommen senkrecht und alles flog einfach einen Rauchschweif hinter sich herziehend gerade wieder nach unten. Nur manchmal flogen kleine Stücke etwas über den Rand, aber denen konnte man wegen des starken Windes gut fernbleiben. Sowohl die Explosion als auch der Einschlag des schweren Materials war mit Erschütterungen des Bodens verbunden. Die Gase da oben bissen in der Lunge und ließen uns schwer atmen. Hier und da sah man Löcher im Schnee, die glühende Brocken verursacht hatten.
Keiner wusste, dass wir da oben waren und ja es war gefährlich und unheimlich beeindruckend.
Ich stand auf einigen Vulkanen in Chile und meistens war man da ganz alleine und jede Infrastruktur fehlte.
Und 2010 am Eyjafjallajökull, da hätte ich mich tatsächlich auch über schwerere Konsequenzen nicht beschwert. Bemerkenswert war trotzdem die Reaktion der Bergungsteams, die hatte der Vulkan auch völlig in seinen Bann gezogen.
Die Rollen der unvernünftigen, risikoverachtenden und lavahungrigen Genossen, war nicht eindeutig vergeben.
Der allgemeine Vulkanhype war in ganz Island zugegen. An jeder Hausecke prangten Werbeschilder, die alle möglichen Touren auf den Vulkan anboten. Jeder Isländer der ein entsprechendes Fahrzeug hatte, fuhr Leute für Geld auf den Buckel rauf. Sämtliche Helikopter und Motorschlitten der Inseln befanden sich im Einsatz. Der ganze Schnee im Umkreis von 1 Kilometer um die Spalte herum war vollkommen plattgefahren. Am Flughafen und an jeden Busterminal wurde man mit Broschüren und Werbezetteln beworfen. Das kann so oder so gesehen werden, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass die Isländer zu diesem Zeitpunkt unter dem Ausbruch litten. Das kam erst später...
Grüße
Thomas