Mercur: Reparatur eines gebrochenen Fahrgestells

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Olli Carstens
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Mercur: Reparatur eines gebrochenen Fahrgestells

#1 Beitrag von Olli Carstens » 2014-08-26 16:51:19

Liebes und ehrenwertes Forum!

An dieser Stelle möchte ich von der nunmehr umfangreichsten Reparatur unseres Mercur berichten. Nur meine Liebe zu diesem Fahrzeug, gepaart mit der Überzeugung, daß der Mercur mit seiner robusten Technik DAS einzig geeignete Fahrzeug für meinen Einsatzzweck ist, motivierten mich zu dieser Mega-Reparatur.

Alle bisherigen Reparaturen (Motor, Getriebe und nun Fahrgestell) sind das Resultat fehlerhafter Wartungen und Montagen hiesiger, namibischer „Fach“-Werkstätten. Letztendlich bezahle ich mit Nerven, Zeit und vor allem hohen Summen, weil ich aus fachlicher Unkenntnis der Materie nicht in der Lage bin (war), diese Werkstätten zu kontrollieren bzw. die Arbeiten persönlich durchzuführen. Ich hoffe, daß mein Lernprozeß in Sachen Technik nun so weit fortgeschritten ist, daß in Zukunft die Fahrfreude meine Sorgen um die Instandhaltung unseres MAGS übertrifft.

Hier nun meine Fahrgestellgeschichte:
Während meiner letzten Safari durch Angola bemerkte ich, wie der „definierte“ Spalt zwischen Fahrerhaus und Passagierkabine größer als sonst war. Auch registrierte ich, daß sich auf unebenen Pisten der hintere Teil des Fahrzeugs irgendwie „weicher“ verwindet. Der Spalt wurde zum Dach hin teilweise so groß, daß ich es mit der Angst zu tun bekam. Was war hier los? Alle Halterungen zur Passagierkabine waren in Ordnung. Die Federn der Hinterachse wurden erst vor 5000 km durch Neuanfertigungen ersetzt, …jedoch lagen die Überlastfedern links und rechts gleichzeitig nur auf den jeweils hinteren Auflagen auf. Die vorderen Auflagen waren noch um Daumenbreite frei. Die gesamte Hinterachse hatte sich in dem Sinne verdreht, daß die hinteren Federhälften höher belastet waren. Ich stand vor einem Rätsel. Erst nach einer langen und intensiven Absuche des gesamten Unterbodens und des Fahrgestells ließ mich das Resultat erschaudern:

Das Fahrgestell war auf beiden Seiten in Höhe der hinteren Federhalterungen der Hinterachse gerissen!

Im englischen Fachjargon der Safaribetreiber nennt man das einen „fatal breakdown“! Unser MAGS war sehr krank und konnte diese Safari auf keinen Fall zu Ende führen! Ich ließ mir einen Ersatzwagen aus Windhuk kommen und hoffte, daß MAGS die Fahrt nach Hause, im Leerzustand und ausschließlich über Teerstraße, überstehen würde. Dazu zog ich alle Federn des hinteren Aufbaus fest an, um der abknickenden Belastung des Fahrgestellrahmens hinter der Achse etwas entgegenzuwirken. Das war, so glaube ich, eine sehr effektive Maßnahme, denn zu Hause hatte sich der Riß, zumindest im sichtbaren Bereich, nicht weiter vergrößert.

Ich beriet mich mit meinem hier in Windhuk einzigen kompetenten „Fachmann für Metallfragen“, wie unser MAGS wohl am effektivsten und dauerhaft repariert werden könnte. Zusammen kamen wir zum Ergebnis, daß eine Reparatur durch schweißen des Risses nicht sicher sei. Hingegen wäre es am effektivsten, wenn das Fahrgestell komplett ab der vor 10 Jahren eingesetzten Verlängerung erneuert würde. Der originale Magirus-Deutz-Fahrgestellrahmen verjüngt sich zudem über der Hinterachse. An diesen beiden definierten Schwächungen des Rahmens sind auch die Risse entstanden. Durch eine Neuanfertigung ohne diese Verjüngung würden diese Schwachstellen eliminiert. Die Bezeichnung des Fahrgestellmaterials für unseren Magirus-Deutz fand ich sehr leicht …in unserem Forum heraus! Vielen Dank, „Ingenieur“, für Deine damalige kompetente Aussage! Bei der Bestellung des Materials in Südafrika wußte man dann auch gleich Bescheid: „Aha, Fahrzeugstahl!“ Wir waren darüber beruhigt.

Der Reparaturverlauf war klar, jedoch unterschätzten wir den Aufwand und die Arbeitszeiten! Zunächst wurde die Kabine abgehoben.
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Dann wurde das Fahrgestell komplett demontiert. Erst jetzt, nach den Demontagen der Federhalterungen, erkannten wir die Risse auf beiden Seiten des Fahrgestells!
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Unter den Federhalterungen zeigte sich, daß die Risse sich von Bohrung zu Bohrung bildeten. Hätten sie die unteren Bohrungen erreicht, wäre das Fahrgestell kollabiert!!!
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Auch die seinerzeit für die Fahrgestellverlängerung eingesetzten Verstärkungen lösten wir aus dem Rahmen. Man sieht, wie der originale Fahrgestellrahmen mit originalen Bohrungen aus der Fahrzeugherstellung regelrecht durchlöchert ist.
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Durch diese besondere Perspektive kann man sehr deutlich die Stärke der Verbiegung des Fahrgestells erkennen.
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Radikal wurde der Rahmen durchtrennt, …ein komisches Gefühl, so an meinem Fahrzeugliebling „herumzudoktern“.
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Die neuen Fahrgestellteile waren bereits angefertigt und wurden sogleich mit Punktschweißung ausgerichtet und angepaßt.
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Probeweise paßten wir die alten Innenverstärkungen wieder an. Jedoch hätten wir dann den Rest der Innenverstärkung nach hinten paßgenau anschweißen müssen. Dies wollten wir aus Gründen des Arbeitsaufwandes aber vor allem der Stabilität vermeiden!
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So beschlossen wir, eine neue Innenverstärkung auf der gesamten Länge bis zum Ende des Rahmens zu montieren. Hier ist dies schon geschehen. Die Anbaukomponenten werden bereits montiert. Der neue Rahmenteil weist kaum Bohrungen auf! Zusammen mit der gleichbleibenden Stärke bedeutet dies einen erheblichen Stabilitätsgewinn!
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Die hinteren Festlager der Passagierkabine waren für meine Begriffe seinerzeit zu schwach ausgelegt. Sie wurden bei dieser Gelegenheit größer und stabiler neu angefertigt und in den neuen Rahmen eingepaßt.
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So ganz nebenbei wurden die „ausgenudelten“ Bohrungen der Federhaltungen aufgeschweißt und wieder auf Norm gebohrt.
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Unsere „Ingenieure“ bei den umfangreichen Montagearbeiten der Fahrgestellkomponenten. Ein Ende der Reparaturarbeiten war nun abzusehen!
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…so dachte ich! Bei der Montage der Achse vermaß ich den Winkel des Antriebsflansches! Der war weit außerhalb des zulässigen Wertes. Wir hatten nicht bedacht, daß durch den nun breiteren Rahmen die hintere Federhalterung zwangsweise niedriger montiert wurde. Um meine „Spacer“ zwischen Feder und Achskörper zu ersparen, legten wir die vordere Federhalterung um eine Bohrung mit Hilfe eines angeschweißten Winkeleisens entsprechend tiefer. Auf Bild 12 könnt Ihr die noch falsche Montage der Federhalterung erkennen. Auf diesem Bild (13) ist die Federhaltung korrekt montiert.
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Es wurden lange Tage, …wie gesagt, Arbeitszeiten und Aufwand wurden völlig unterschätzt. Für die schönen Sonnenuntergänge über dem Industriegebiet im Süden Windhuks gab es keine Beachtung!
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Endlich sind die Reparatur- und Modifizierungsarbeiten am Fahrgestell beendet! Nun wollen wir Belastungs- und Verschränkungstests durchführen!
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Das sieht gut aus! Die Bedenken, daß das Fahrgestell eventuell zu steif sein könnte, bestätigten sich nicht.
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Eine schwarze Lackierung verbessert das einheitliche Erscheinungsbild des „neuen“ Fahrgestells!
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Nach der Montage der Passagierkabine bestätigten sich alle Arbeiten spontan in einer gleichmäßigen Ausrichtung zum Fahrgestell.
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Auf diesem Bild noch eine Detailaufnahme der „Tieferlegung“ der vorderen Federhalterung des Hinterrades. Das Winkeleisen ist im Material dicker als das des Rahmens.
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So ganz nebenbei, …und zwar bei mir auf der Privatwerkbank (!), restaurierte ich noch die Anhängerkupplung. Zukünftig soll mühelos angekuppelt werden können! Das Ergebnis kann sich, …nicht nur optisch, durchaus sehen lassen! Nicht ohne etwas Stolz schaue ich nun auf das Heck unseres MAGS!
20..jpg

Ich hoffe, daß ich zukünftig nicht noch einmal einen so langen Reparaturbericht ins Forum setzen muß! Vielmehr möchte ich Euch viel lieber in der Reisesparte unseres Forums berichten!

Herzliche Grüße aus dem Frühling im Etoscha Nationalpark in Namibia,

Olli
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danimilkasahne
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Re: Mercur: Reparatur eines gebrochenen Fahrgestells

#2 Beitrag von danimilkasahne » 2014-08-26 17:20:02

Servus und Beileid,
wer hatte denn die Bohrungen in den Obergurt des Rahmens eingebracht?

Ahoi Daniel

http://www.allrad-lkw-gemeinschaft.de/p ... 33&t=48972

MAN meint

http://www.manted.de/manted/aufbauricht ... l#k3bns133
Bohrungen im Ober- und Untergurt

Grundsätzlich ist es nicht zulässig am Ober- und Untergurt des Rahmenlängsträgers nachträglich Bohrungen zu erzeugen (Bild 07-III).


Eine Ausnahme zur Bohrung in Ober- und Untergurte, gibt es ausschließlich am hinteren Rahmenende nach dem Schlussquerträger oder dem letzten Querträger (falls kein Schlussquerträger vorhanden). Diesbezüglich ist zusätzlich die Anwendung von Schubblechen in dem Bereich erforderlich. Des Weiteren sind vorhandene, für Aufbauten nichtverwendete Löcher im Ober- und Untergurt dennoch durch Verschrauben von Rahmen und Hilfsrahmen zu belegen (Bild 08-III).


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theutone
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Re: Mercur: Reparatur eines gebrochenen Fahrgestells

#3 Beitrag von theutone » 2014-08-26 17:30:56

Tach,

die Bohrungen sind die Löcher für die Nieten der Quertraversen.
Mein Jupiter hat ca. 12 Stk. pro Seite im Obergurt.

Gruß
Patrick

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danimilkasahne
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Re: Mercur: Reparatur eines gebrochenen Fahrgestells

#4 Beitrag von danimilkasahne » 2014-08-26 17:58:40

Danke für den Hinweis, wieder was gelernt :blush:

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lunschi
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Re: Mercur: Reparatur eines gebrochenen Fahrgestells

#5 Beitrag von lunschi » 2014-08-26 18:47:03

Hallo,

nichts gegen Deine Arbeit, aber ich denke der Rahmenbruch war vorprogrammiert. Und zwar deshalb weil Du den Koffer ganz hinten auf dem Rahmen gelagert hast. Damit ergibt sich ein enormes Biegemoment in den Rahmenlängsträgern, das ja schließlich auch zum Bruch/Riss in der am höchsten belasteten Zone um die Federlagerung geführt hat. Das Problem wurde natürlich durch die Rahmenverlängerung (größerer Hebelarm) noch verschärft. Diese Überlastung hat ja außer zu den Rissen auch zu deutlich sichtbarer Durchbiegung des Rahmens geführt und genau deswegen sind die Risse auch an der Oberseite entstanden - in der Zone mit der höchsten Zugspannungsbelastung.
Es wäre aus mechanischer Sicht sinnvoller, die Gewichtskraft auch da in den Rahmen einzuleiten, wo sie abgestützt ist - nämlich genau an den Federlagerungen. Das geht natürlich nur wenn der Koffer einen soliden Zwischenrahmen hat, der die Kräfte entsprechend verteilen kann.
Du hast, wie mein Maschinenbauprof jetzt sagen würde, die Kräfte im Rahmen "spazierengeführt" anstatt sie direkt da einzuleiten wo sie aufgenommen werden.

Der Fahrzeugrahmen ist für den Lastfall, den Du da erzeugt hast, nicht konstruiert gewesen und deshalb kaputt gegangen.Die vielen Bohrungen im Steg schwächen das Profil übrigens weniger als man so denken mag, weil die Hauptlast in den Gurten aufgenommen wird.

Ich würde Dir empfehlen, bei Gelegenheit die Kofferlagerung so zu modifizieren, das sie weiter nach vorn zur Achse kommt - vorausgesetzt, der Koffer lässt das von der Stabilität des Bodens/Zwischenrahmens zu. Jeder cm hilft! Das würde darüber hinaus auch die Verschränkung zwischen Koffer und Kabine bei Rahmenverwindung reduzieren.

Ich hoffe für Dich das die durchgeführte Reparatur sich als haltbar erweist, vor allem die Schweißstellen.

Gruss
Kai
Zuletzt geändert von lunschi am 2014-08-26 22:53:55, insgesamt 1-mal geändert.
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Veit M
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Re: Mercur: Reparatur eines gebrochenen Fahrgestells

#6 Beitrag von Veit M » 2014-08-26 19:52:14

Interessanter Bericht und Glück gehabt daß der Fehler noch rechtzeitig aufgefallen ist.

Wenn auf die Kofferlagerung hinten nicht ganz verzichtet werdne kann so ist evtl. doch eine Modifizierung möglich.
Hauptlast an den Federbrieden einleiten und hinten ein mittiges Stützlager (Drehpunkt oder Silentblock).
Jedes bißchen Entlastung hilft.

Ciao

Veit

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Re: Mercur: Reparatur eines gebrochenen Fahrgestells

#7 Beitrag von 3=6 » 2014-08-26 20:21:52

Guten Abend,

viiiiel Arbeit .... sind die neuen Bohrungen "nur" gebohrt oder auch gerieben? Was für Schrauben wirden hier verwendet (Passschrauben?)?

Grüße
Marius

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Re: Mercur: Reparatur eines gebrochenen Fahrgestells

#8 Beitrag von Pirx » 2014-08-26 21:12:08

Hallo Olli!

Ich kann mich den Ausführungen von Kai nur anschließen. Es ist auch für mich völlig klar, daß hier einige Regeln des Maschinen- und Fahrzeugbaus nicht beachtet wurden, was dann letztlich zum Bruch geführt hat.

Noch einige Anmerkungen von mir:

Die serienmäßigen Bohrungen in den Stegen der Längsträger beeinträchtigen die Stabilität der Träger überhaupt nicht, denn dieser Bereich ist wenig belastet. Der Rahmen eines modernen LKW ist regelrecht durchlöchert, er hat sicher 10-mal soviele serienmäßige Bohrungen und hält auch.

Die Ausrichtung des Hinterachsflansches zur Gelenkwelle durch Tieferlegen des vorderen Federlagers, anstelle die üblichen Keil-Unterlagen zwischen Achse und Blattfedern zu verwenden ist - ich sage das bewußt hart - "Pfusch"! Da kann Euer Winkeleisen noch so dick sein, die Stabilität wie bei der werkseitig vorgesehenen vollflächigen Montage an den Längsträger werdet Ihr so nie erreichen.

Das Alles wolltest Du natürlich nicht hören. Das sind unangenehme Nachrichten, die entweder zu teuren Nacharbeiten führen oder geflissentlich ignoriert werden. Aber bitte verstehe mein Geschreibe nicht als Nörgelei, sondern als konstruktive Kritik. Denn letztendlich geht es doch darum:
Olli Carstens hat geschrieben:Ich hoffe, daß ich zukünftig nicht noch einmal einen so langen Reparaturbericht ins Forum setzen muß!
Pirx
Der mit der Zweigangachse: 15 Vorwärtsgänge, 3 Rückwärtsgänge, Split, Schnellgang, Differentialsperre
---
"Immer bedenken: Hilfe ist keine Einbahnstrasse, Geholfen-Werden ist kein Recht und es liegt an jedem selbst, inwieweit er sich hier in der Gemeinschaft (die im Extremfall so einiges gemeinsam schafft) involviert und einbringt."
Ein Unimog-Fahrer.

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Olli Carstens
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Re: Mercur: Reparatur eines gebrochenen Fahrgestells

#9 Beitrag von Olli Carstens » 2014-08-31 15:47:36

Liebes Forum,

vielen Dank für Eure Beiträge! Bin nun wieder zu Hause in Windhuk und kann auf Eure Kritiken und Anregungen antworten.
Vorweg muß ich der Vollständigkeit noch hinzufügen, daß der Fahrgestellrahmen durch seinen ersten Umbau vor 10 Jahren bereits verbogen wurde.

Der „LKW-Baumeister“ der momentanen Passagierkabine war dann fachtechnisch davon überzeugt, daß man auf dieses gleichmäßig gebogene Fahrgestell den Aufbau, mit Federn entsprechend angepaßt, montieren könnte. Recht hatte er ja auch, …es hielt ca. 40.000 km! Allerdings riß dann an der schwächsten Stelle des Rahmens das bereits gedehnte Material. Auf dem folgenden Bild kann man sehen, daß sich der Riß durch die schwächste Stelle, nämlich bei den Bohrungen für den Federträger im Bereich ohne obere Innenverstärkung, gebildet hat.
abgetrennter Längsträger -links-.jpg
Die Gründe für den Bruch liegen nun folgerichtig:
1. in der konstruktionsbedingten schwachen Stelle des Rahmens,
2. am bereits durch die frühere Verformung überbeanspruchten Material ,
3. an der Einleitung der Kräfte durch das Festlager am Rahmenende.

@ Kai:
Die Rahmenverlängerung wurde zwischen den Achsen vorgenommen. Der Überhang des Fahrgestells wurde nicht modifiziert. Insofern gibt es keinen „größeren Hebelarm“ hinten.

@Veit + Kai:
Ich habe tatsächlich mit meinem Freund und „Eisenfachmann“ darüber diskutiert, ob das Festlager nicht doch in die Nähe der hinteren Federhalterung montiert werden solle. Wir sind dann überein gekommen, daß dies dem schwachen Rahmen des Aufbaus nicht zuträglich wäre. Zudem wurden die neuen Bereiche der Längsträger deutlich stärker ausgelegt. Sie werden die „Hebelwirkungen“ auf jeden Fall vertragen!

@ Marius:
Ich habe in einem Forumsbeitrag von „Ingenieur“ gelesen, daß man Löcher im Rahmen „reiben“ und nicht bohren sollte. Die Löcher wurden dann doch gebohrt, weil, …und jetzt nicht lachen bitte (!!!), man das hier immer so macht und es in DIESEN FÄLLEN keine Probleme bisher gegeben hat. Es wurden anschließend bei der Montage ausschließlich 12.9er Schrauben verwendet.

@ Pirx:
Vielen Dank auch für Deine Gedanken! Und: nein, nein!!! Auf genau diese konstruktiven Kritiken warte ich, …auch wenn ich nun explizit Deine Anregung zur Nacharbeit meines Winkeleisens zur Achsflanschausrichtung nicht umsetzen werde. Hier habe ich mir einfach ca. 12 kg ungefederte „Spacer“-Masse auf der Hinterachse erspart. Ich verstehe jedoch Deine technisch-elitäre Sichtweise:
... Aus der Perspektive eines etablierten LKW-Herstellers kann so ein Winkeleisen nur „Pfusch“ sein! Einen Neu-LKW mit angeschweißtem Winkeleisen für die Federführung würde ich mir auch nicht zulegen. :angel:

Herzliche Grüße an Euch alle aus dem sonnigen Windhuk,

Euer Olli
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Re: Mercur: Reparatur eines gebrochenen Fahrgestells

#10 Beitrag von lunschi » 2014-08-31 17:56:46

@Oli:

"Löcher" (der Maschinenbauer spricht von Bohrungen...) in hochbelasteten Bauteilen wie Fahrzeugrahmen werden nach dem Bohren ausgerieben, um a) die für die oft notwendige Verwendung von Passschrauben nötige enge Durchmessertoleranz einhalten zu können und b) die Oberflächenqualität in der Bohrung zu verbessern, was die Entstehung von Rissen (Kerbwirkung) zu vermeiden hilft.

Das dies in Südafrika offenbar unbekannt ist spricht für die Qualität der dortigen Arbeiten. Um dieses Manko auszugleichen muss man dann halt den Balken eine Nummer dicker nehmen. Das hält dann zweifellos auch - nichts gegen die den örtlichen Gegebenheiten angepasste Arbeitsweise!

Im übrigen würde ich bei einem Neu-LKW mit am Rahmen angeschweißten Winkeleisen davon ausgehen, das der Hersteller sich intensiv darüber Gedanken gemacht (und Versuche / FEM-Berechnungen usw. angestellt) hat, ob das geht oder nicht. Darin sehe ich den größten Unterschied zwischen den hier geschilderten Arbeiten, die mehr oder weniger nach der Methode "sieht gut aus, wird schon halten" oder "das haben wir sonst auch schon so gemacht, das hält bestimmt" funktionieren. Wenn man so an die Sache herangeht muss man eben viel Sicherheit in Form von zusätzlichem Material verbauen. Den Luxus einer gewichtsoptimierten Bauweise kann man sich halt nur leisten, wenn die Arbeitsmittel und sonstigen Voraussetzungen dafür vorhanden sind.

Gruss
Kai
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Re: Mercur: Reparatur eines gebrochenen Fahrgestells

#11 Beitrag von Olli Carstens » 2014-08-31 22:16:30

Lieber Kai,

sehr gut ausgedrückt und diplomatisch formuliert! Ich sage es deutlicher: Hier im Sonnenland Namibia wird mit wenig Sachkenntnis zu viel herumgemurkst und kaum Verantwortung dafür übernommen. Ich zahle seit Jahren sehr viel Lehrgeld, verbunden mit viel Nervenkraft und unterdrückten Emotionen für diese Erkenntnis! :motz:

Aber mein MAGS ist mir dies Wert! :spiel:

Liebe Grüße aus einer schönen Sternennacht,

Olli :D
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Re: Mercur: Reparatur eines gebrochenen Fahrgestells

#12 Beitrag von Ingenieur » 2014-08-31 23:07:55

Hallo,

den Bericht habe ich gelesen.

Eine Menge Arbeit, die in Europa unbezahlbar wäre.

Immerhin gut, daß der Magirus-Rahmen nicht aus Feinkornstahl besteht.
Diese papierdünnen Rahmen der modernen (Leicht-)LKW's sind weniger gutmütig.
Ich habe in Hannover-Laatzen bei IVECO schon Serien-LKW's gesehen,
die einfach durchgebrochen waren.

Wenn überall 12.9 - Schrauben verwendet wurden,
sprechen wir also von GV-Verbindungen.
Ich nehme an, daß im Wesentlichen 14mm - Schrauben eingesetzt sind.
Üblich ist es, Nieten durch 10.9 - Schrauben zu ersetzen.
Ich sehe bei verschiedenen Muttern solche mit Kunststoffeinlage.
Die Idee war sicherlich,
einen Verlierschutz zu realisieren.
Üblich gibt es solche Muttern in 8.8 und in 10.9.
Sind die Muttern auch wirklich in 12.9 ?
Bitte mal kontrollieren, ob eine 12 eingepresst ist.
12.9 ist die vorletzte lieferbare Härtestufe.
14.9 hat man mal an einer Brücke in Österreich eingesetzt.
Nachdem im Winter reihenweise Schraubenköpfe heruntergefallen waren,
hat man ein Auffangnetz druntergespannt,
und seitdem ist es unüblich solche Schrauben zu verbauen.
Aber zurück zu den 12.9.
Bitte beachten, daß diese Schrauben für dünne Bleche dann geeignet sind,
wenn dicke Unterlegscheiben, oder Spannhülsen verwendet werden.
Ein dünnes Blech aus S355 entzieht sich gerne der Vorspannung durch (Weg-)Fließen.
Daher haben 10.9 - Rahmenschrauben einen Bund !
Dann ist zwar die Schlüsselweite etwas geringer, aber die Auflagefläche größer.
Unter dem Bund ist i.d.R. eine Zahnung.
Verfügt man nicht über Bundschrauben,
ist die Wahl der Sicherung Sperrzahnunterlegscheiben.
(Tensilock, Nordlock, pp.)
Ist auch das nicht möglich,
bleibt als gleichwertige Lösung die Kontermutter.
Insofern bitte ich nochmal jede Schraubenverbindung genau zu prüfen,
damit in den nächsten 20 Jahren alles fehlerfrei jobbt.

...
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Re: Mercur: Reparatur eines gebrochenen Fahrgestells

#13 Beitrag von Ingenieur » 2014-08-31 23:53:16

Hallo,

nun noch ein Beispielfoto.

Bei unserem MAN-KAT habe ich Nieten durch Schrauben 8.8 ersetzt.

Die Löcher von 15,5 mm habe ich aufgerieben auf 16,00 mm.
Dann die Rohen Schrauben als Paß-Schrauben verwendet.
Dabei die Schaftlänge der Schrauben so gewählt,
daß in der Gleitfuge immer Vollmaterial ist.
Das Gewinde wurde entsprechend gekürzt.
Daher der Flugrost auf den Schraubenenden.
Es ist dann eine SLP-Verbindung.

Die 'gutmütigen' 8.8 - Schrauben mit Kontermuttern gesichert.

Eine 16mm 8.8 - 'Paßschraube' ist in der Tragfähigkeit etwa gleichwertig einer 14mm 10.9,
hat aber den Vorteil, daß die GV-Flächen nicht vorbereitet werden müssen.

Die 20mm - Gewindestangen für den Kran bekommen in der Endausbaustufe unten auch noch Kontermuttern.
Momentan sind da nur einfache Muttern und dicke Unterlagscheiben.
Die gelbe Farbmarkierung zeigt die Festigkeit der Gewindestangen an.

...
Kontermutter_KAT.jpg
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